08.Mai 1945 – Kolleg*innengespräch

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Am 8. Mai 1945 endete der zweite Weltkrieg und damit die Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland. Wie genau hat sich das eigentlich zugetragen? Und wie wurde der sogenannte „Tag der Befreiung“ danach bewertet? Diese und weitere Fragen werden im Kolleg*innengespräch von unseren Moderator*innen Nadine und Maxi mit unserem Redakteur Jan beantwortet.

Jan: Mai 1945. Die Lage in Deutschland ist aussichtlos. Aus Häusern werden Ruinen, Brücken und Straßen sind zerstört. Die Menschen hungern, Wasser, Strom, Gas – es fehlt an allem. Die Bomben der Alliierten haben ganze Großstädte wie München und Köln dem Erdboden gleichgemacht.

Sowohl die Mächte im Westen, als auch die sowjetischen Soldaten im Osten drängen die Wehrmacht immer weiter zurück.

Am 2. Mai, zwei Tage nach Hitlers Selbstmord, hissen Soldaten der roten Armee die sowjetische Flagge in Berlin. Spätestens jetzt ist der Krieg entschieden.

Der 7. Mai: Auf Geheiß von Großadmiral Karl Dönitz, dem neuen Befehlshaber, reist Alfred Jodl, Generaloberst und Verantwortlicher für die Kriegsführung, ins französiche Reims zum Hauptquartier der westlichen Alliierten.

Dönitz‘ Plan, vorerst eine Teilkapitulation zu verhandeln, scheitert. Dann ist es soweit: Generaloberst Jodl unterschreibt im Namen des deutschen Oberkommandos die bedingungslose Kapitulation aller Streitkräfte. Die tritt in Deutschland am 8. Mai 1945 um 23:01 Uhr in Kraft. Nach knapp sechs Jahren ist das Ende des zweiten Weltkriegs besiegelt. Er kostete über 60 Millionen Menschen das Leben.

Nadine: Genau 80 Jahre ist das jetzt her. Aber ein paar Fragen habe ich noch.

Maxi: Ich auch und da haben wir jetzt die beste Chance auf Antworten. Denn unser Autor Jan ist mit uns im Studio. Herzlich Willkommen!

Jan: Hi, grüßt Euch, freut mich, hier zu sein.                                                   

Maxi: Du hast Dich ausführlich mit dem 8.Mai beschäftigt. Erstmal ganz offen gefragt: Gab es irgendwas, das Dir bei der Recherche besonders aufgefallen ist? Was ist Dir da ins Auge gefallen?

Jan: Ja, voll, da gabs was. Und zwar, dass Deutschland gleich zweimal kapituliert   hat.

Maxi: Wie zweimal? Woran lag das?

Jan: Das lag daran, dass der sowjetische Diktator Josef Stalin darauf bestanden hatte, dass die Kapitulation nochmal unterzeichnet wird. Und zwar in seinem Hauptquartier bei Berlin, denn bei der ersten Unterzeichnung in Reims in Frankreich waren die Sowjets nicht dabei. So kam es also dazu dass am Tag nach der ersten Kapitulationszeremonie noch eine zweite statt und das Kriegsende eben nochmal besiegelt wurde. Dieses Mal unterschrieb Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel für die Deutschen. Und wegen der Zeitverschiebung trat die Kapitulation in Russland übrigens erst am 9. Mai in Kraft.                                                        

Nadine: Bei uns hier in Deutschland ist der Feiertag ja am 8. Mai und wird “Tag der Befreiung” genannt. Aber Jan. woher kommt der Name denn überhaupt?

Jan: Ja, tatsächlich, der 8. Mai gilt als Tag der Befreiung von der Terrorherrschaft der Nazis. Das erstmal grundsätzlich und konkret geht es eben um die Befreiung der Gesellschaft von Krieg, Gewalt, Unterdrückung und allen Schrecken der NS-Zeit. Man muss aber dazu sagen, dass erst seit 1985 dieser Name geläufig ist.

Nadine: Also ganze 40 Jahre erst nach dem Kriegsende. Aber wie wurde davor mit dem Tag umgegangen? Gabs da große Unterschiede zwischen BRD und DDR?

Jan: Absolut, und zwar große Unterschiede. In der DDR wurde das Ende der NS-Zeit immer wieder betont und auch gefeiert. Von 1950 bis 1967 wurde er sogar zum gesetzlichen Feiertag. Und unter dem Namen „Tag der Befreiung des deutschen Volkes vom Hitlerfaschismus“.

Maxi: Okay, also in der DDR war schon früher die Rede vom “Tag der Befreiung”. Wie sah das denn in Westdeutschland aus?

Jan: Da wurde der 8. Mai tatsächlich ganz lange nur beschwiegen und spielte in der Erinnerungskultur keine große Rolle. Er wurde ganz nüchtern als „Tag der Kapitulation“ betrachtet und von vielen auch ganz einfach nur als “Tag der Niederlage”. Beschwiegen wurde auch, dass sehr viele ganz normale Menschen mindestens Mitläufer gewesen waren. Im Widerstand gegen die Nazis waren tatsächlich nur wenige, und das hat deren Verbrechen erst ermöglicht. Ganz interessant ist eben auch, dass der 8. Mai sogar noch eine weitere Bedeutung bekam, denn 1949 stimmten die Parteien an genau diesem Tag dem Grundgesetz der BRD zu.

Maxi: Dann ist das heute ja in doppelter Hinsicht ein besonderer Tag für Deutschland. 1985 wurde der 8. Mai dann in der BRD “Tag der Befreiung” genannt. Wie kam es zu diesem veränderten Umgang mit diesem Tag?

Jan: In diesem Jahr hielt der Bundespräsident Richard von Weizsäcker eine historische Rede. Und zwar war das eben das 40-jährige Jubiläum dieses Tages, er hielt die Rede vor dem Bundestag und sprach als erster Politiker in der BRD aus, dass der 8. Mai 1945 eben nicht nur die Kriegsniederlage Deutschlands besiegelte, sondern auch die Erlösung der Gesellschaft vom menschenverachtenden System der Nazis.

Nadine: Das hat vor ihm wirklich noch keiner gesagt?

Jan: Ja, tatsächlich. Zumindest mit so klaren Worten und so auf den Punkt gebracht. Die Rede wurde danach auch international viel gelobt.

Maxi: Und sie hat, wenn ich das richtig verstehe, bis heute eine große Bedeutung?

Jan: Absolut, ja. Weizsäcker verstand den 8. Mai zum einen als Tag der Trauer über das große Leid, aber wie gesagt eben auch als Tag der Befreiung. Damit wandelte er die Erinnerungskultur in Deutschland entscheidend.

Nadine: Zum Abschluss, Jan, interessiert uns jetzt natürlich noch: Wie wird der Tag heute gefeiert, also 40 Jahre nach Weizsäckers Rede?

Jan: Ja, der 8.Mai ist heute auf jeden Fall ein wichtiger Gedenktag in ganz Europa. Unter anderem in Frankreich und Tschechien ist er sogar ein gesetzlicher Feiertag. Das ist auch in Deutschland immer wieder Thema, aber aus unterschiedlichen Gründen konnte man sich noch nicht so darauf einigen. Aber mehrere Bundesländer haben ihn zu einem offiziellen Gedenktag erklärt und das Land Berlin hat genau heute, am 80. Jahrestag, sogar einen einmaligen gesetzlichen Feiertag daraus gemacht. Also im Gegensatz zu uns in Bayern haben die Berliner heute also frei.

Nadine: Ach schade, aber die Berliner haben, glaube ich, ja sonst nicht so viele Feiertage. Also sei es Ihnen gegönnt.

Maxi: Genau, wir hoffen, ihr habt einiges rund um den 8. Mai mitgenommen. Ich fand es echt spannend. Vielen Dank, Jan!

Jan: Hat Spaß gemacht, danke!