Fakt oder Fake? Im Internet ist diese Frage immer öfter nur schwer zu beantworten. Besonders gut darin ist Jana Heigl, sie leitet den BR24-Faktenfuchs, die Faktencheck-Einheit des Bayrischen Rundfunks. Was unser Autor Jan im Gespräch mit ihr herausgefunden hat, hört ihr hier.
Jan: Ob in Reden von Politikern, in Online-Artikeln oder in Kommentarspalten auf Social Media: Immer häufiger werden Desinformation und Fake-News verbreitet und Fakten ignoriert. Gefühlte Wahrheiten statt Wirklichkeit. Behauptung statt Tatsache. Die Grenze ist nicht immer klar. Mehr Klarheit wollen journalistische Faktencheck-Teams schaffen. Wie viele andere Medienhäuser hat auch der Bayerische Rundfunk eine solche Einheit: der „Faktenfuchs“. Jana Heigl ist seit 2024 Leiterin des Spezialisten-Teams. Sie blickt mit Sorge auf die aktuelle Lage von Fakten.
Jana Heigl: „Finds schon erschreckend, dass es für viele einfach nicht mehr so wichtig ist, was Fakt ist und was nicht. Und das ist ja genau das, was Desinformation erreichen will. Das Ziel ist Zweifel zu streuen, und dass niemand mehr weiß, hä, was stimmt jetzt eigentlich und was nicht und dann ist es einfach irgendwann egal. Das ist so die große Gefahr.“
Jan: Soweit die Ausgangslage. Nur wie geht man damit um? Für die 29-jährige Heigl geht es auch darum, das Vertrauen in Medien wieder zu stärken.
Jana Heigl: „Ich glaube, dass das Schlimmste, was man machen kann, ist dass man das einfach so weiterlaufen lässt. Mir ist es wichtig, dass ich da was entgegensetze und das erlaubt mir dieser Job.“
Jan: Doch wie genau arbeitet ein Faktencheck-Team? Wie auf der Internetseite des „Faktenfuchs“ zu lesen ist, wollen die Journalisten zunächst klären, was behauptet wird. Weitere Fragen sind zum Beispiel, ob es dafür Belege gibt oder nicht und ob Hinweise wissenschaftlich fundiert sind. Aber welche Inhalte werden eigentlich geprüft?
Jana Heigl: „Das Erste ist, es muss überprüfbar sein. Also es muss eine Tatsachenbehauptung sein. Eine Meinung ist kein Material für nen Faktencheck. Dann muss es relevant sein, und zwar für unser Publikum, das heißt Menschen in Bayern. Und es muss verbreitet sein. Also wir wollen wirklich vermeiden, dass wir eine Behauptung, die eigentlich noch gar nicht so viele Leute kennen, dadurch größer machen dass wir sie aufgreifen.“
Jan: Auf der Suche nach solchen Inhalten recherchieren Heigl und ihre Kolleginnen und Kollegen viel. Sie bekommen aber auch Hilfe von einem sogenannten Social-Listening-Tool. Das Programm scannt über 460 Millionen Quellen im Netz, darunter auch Kommentarspalten. Haben die gefundenen Inhalte auch die Diskussion in der Redaktion überstanden, werden sie detailliert geprüft. Wie genau, erklärt Heigl anhand eines ihrer aktuellsten Themen…
Jana Heigl: „Wir gehen von ner Behauptung aus, in dem Fall war es die falsche Behauptung, dass Sonnencreme giftig sei und Krebs auslöse. Und was wir dann machen, ist dass wir erstmal gucken, okay was sagt denn die Studienlage, was sagen denn auch die Behörden, die dafür zuständig sind? In dem Fall wäre es das Bundesamt für Risikobewertung, die nen Blick auf solche Mittel haben. Dann schauen wir: Haben die noch was auf der Webseite, dass man verwenden könnte? Wenn da noch was fehlt oder wenn wir noch Fragen haben, schreiben wir ne Anfrage, ne Presseanfrage an die jeweiligen Behörden. Wir versuchen so viel Quellen wie möglich und vor allem auch wie nötig zusammenzusuchen, die am Ende dann ein Gesamtbild ergeben können.“
Jan: Manchmal dauere dieser Prozess einige Tage, oft aber auch über zwei Wochen. Und dann hat auch die Teamleiterin noch eine wichtige Aufgabe.
Jana Heigl: „Bevor ein Faktencheck von uns veröffentlicht wird, lesen ihn mindestens drei Leute. Jeweils zwei inklusive mir aus unserem Faktencheck-Team und dann auch immer noch jemand aus unseren Fachredaktionen. Also beispielsweise, wenn wir was zu Corona machen, dann binden wir da unsere Wissensredaktion ein.”
Jan: Am Ende des aufwendigen Sechs-Augen-Prinzips stehen dann ein Online-Artikel, Social-Media-Posts und Radiobeiträge zum Thema. Von großem Aufwand kann bei der meisten Desinformation hingegen selten die Rede sein.
Jana Heigl: „Wir sehen nach wie vor, dass Desinformation nicht gut gemacht sein muss. Das ist eigentlich die Qualität der Desinformation ist total egal, es geht darum, dass Meinungen bestätigt werden. Und da sind wir wieder beim Confirmation Bias: Wenn was in mein Weltbild reinpasst, glaub ich’s.”
Jan: Immer wieder setzt sich Heigl in ihrer Arbeit mit Desinformation aus Russland auseinander. Mit ihren Kolleginnen und Kollegen versuchte die Journalistin, prorussische Desinformation zurückzuverfolgen und Verknüpfungen mit der Regierung im Kreml zu finden.
Jana Heigl: „Das war wirklich sehr sehr schwer,weil das natürlich alles sehr verdeckt passiert. Und diese Narrative, diese prorussischen Narrative, die ja meist vor allem gegen die Ukraine gehen, die verfangen einfach. Und das merken wir dann in unserem Monitoring: Es kommt immer wieder das Gleiche. Und das finde ich eigentlich am spannendsten, weil das die Dinge sind, die wirklich auch echt nen schwerwiegenden Einfluss auf unsere Gesellschaft, unsere Demokratie haben.“
Jan: Zumal es heutzutage immer mehr Wege gibt, falsche Behauptungen und gezielte Desinformation zu verbreiten.
Jana Heigl: „Wir haben Künstliche Intelligenz, die ne viel viel größere Rolle spielt. Einerseits dadurch, weil ja Desinformation beziehungsweise Fakes einfach viel viel schneller und leichter und einfacher und günstiger erstellt werden können. Auf der anderen Seite aber auch, weil sie viel leichter personalisiert werden können. Und da seh ich persönlich die größte Gefahr drin.“
Jan: Die KI sammelt dabei persönliche Daten, die jeder und jede im Internet von sich preisgibt. So entsteht ein Profil mit Interessen, Ängsten und politischen Einstellungen. Darauf wird die Desinformation oder der Fake dann zugeschnitten. Klar ist also: Es geht um jeden Einzelnen. Wie verhalte ich mich im Internet? Welchen Quellen schenke ich Vertrauen? Expertin Jana Heigl vom BR-Faktenfuchs empfiehlt:
Jana Heigl: „Insgesamt glaube ich der wichtigste Tipp ist, sich selber zu beobachten. Wenn man merkt: Okay, da werde ich jetzt echt wütend oder da werde ich traurig oder krieg Angst oder so. Das sind genau die Gefühle, die ausgelöst werden sollen durch Desinformation. Wenn ich das merke, sollte ich einen Schritt zurücktreten, einmal nochmal genauer draufgucken und ganz ganz häufig sind die nicht so schwer zu entlarven. Wenn es kniffliger ist, dann einfach googlen, beziehungsweise es gibt super viele Faktencheck-Redaktionen. Die freuen sich über Hinweise, über Fragen und so weiter und nehmen das dann auch auf.“