Guter Morgen, gute Nacht – Wie Chronotypen unser Leben bestimmen

Nachtmensch vs. Morgenmensch – Wer hat’s einfacher? Von Chronotypen, Eulen, Lerchen & dem 5 AM Club. Ein Podcast von Marcel Bechtel

*Wecker klingelt*

„Oah fuck ey…“

Das bin ich, Marcel Bechtel. Ich hoste den Podcast hier. Und ja, so kling ich wirklich nach dem Aufstehen. Nicht weil’s da wahnsinnig früh war, da war’s so 10 Uhr. Ich komm morgens einfach extrem schlecht raus. Ich bin nämlich ein absoluter Nachtmensch. Und ihr seid hier gerade dabei, wie ich mich morgens fertig mache.

Es ist ja irgendwie dieser ständige Fight. Die Frühaufsteher gegen die Spätaufsteher. Morgenmenschen gegen Nachtmenschen. Eulen und Lerchen. Die einen schwören darauf, früh aufzustehen. Vor allem auf Social Media gibt es super viele Videos dazu:

Der Hype auf Social Media: Was ist der „5 AM Club“?

„So ganz früh am Morgen, da ist nicht nur der Himmel blau, sondern irgendwie alles blau. Keine Ahnung, ich kann´s nicht beschreiben.“

„So, if you wanna wake up at 5 am, there are a couple of things that i would do.“

„Wenn du um 5 Uhr wachst, gibt es ein paar Dinge, die ich machen würde.“

„You really need to physically excert yourself the day before..“

„Hier kommen 5 Tipps, wie ich es schaffe, um 5 Uhr morgens jeden Tag aufzustehen.“

„Die Menschen mit Morgenroutinen, die haben ihr Leben im Griff.“

„Ich sag´s euch, wie es ist: es hat mein Leben verändert.“

„Ich versuche unter der Woche jeden Tag um 5 Uhr aufzusteh’n und das sind meine Gründe.“

„Welcome to the 5 am Club.“

„Nach dem Aufstehen trinke ich einen riesigen Schluck Wasser, gehe dann ins Bad, mache mich ein bisschen frisch.“

„Guten Morgen. Es ist Tag 1 meiner um 5.00 Uhr Aufstehn-Woche.“

„Day 2 of being in the 5am Club.“

Ja ok, ich glaube wir haben es alle gecheckt, wir stoppen das mal hier. Ist euch was aufgefallen? Ganz oft wird der hier erwähnt.

„Welcome to the 5am Club!“

Der 5AM Club, dem begegnet man auf Social Media immer wieder. Zurückzuführen lässt der sich auf Robin Sharma. Er kommt aus Kanada und hat ein Buch geschrieben, „The 5AM club“. Kurz zusammengefasst, man soll quasi um 5 Uhr morgens aufstehen und die gewonnen Zeit nutzen, um produktiv zu sein, zu reflektieren und so weiter. Für mich persönlich absolut nicht greifbar. Freiwillig so früh aufsteh’n? Safe nicht. Oder wie andere sagen würden.

„Fuck the 5 am club.“

Und hot take, ich persönlich hab auch immer so ein bisschen das Gefühl, die Frühaufsteher, die halten sich schon für was besseres.

Aber ich will mit diesem Podcast hier mal für ein bisschen Verständnis sorgen. Quasi vermitteln zwischen den Eulen und den Lärchen. Ich will herausfinden, warum gibt es denn so unterschiedliche Rhythmen? Kann ich als Nachtmensch rüberwechselnd zu den Frühaufstehern?

Welcher Rhythmus hat es in unserer Gesellschaft eigentlich einfacher und vor allem will ich den Vibe catchen. Ich will verstehen, was den Morgen ausmacht und auch was die Nacht so besonders macht. Dafür spreche ich mit Menschen, die früh morgens schon performen, wenn ich noch schlafe. Und mit Menschen die eher Team Nacht sind.

Außerdem schauen wir uns das Ganze auch noch von der wissenschaftlichen Seite an. Und jetzt erstmal einen Kaffee.

Morning-Routine? Morning Show.

So und was gehört für euch so zu einem typischen Morgen? Ich könnte mir vorstellen für einige noch das hier. Na, wer kennt’s noch? Radio.

„Geht ins Ohr. Bleibt im Kopf.“

Und die weibliche Stimme, die ihr im Hintergrund hört, die gehört Yase. Von ihr werden wir später auch noch ein bisschen was hören, denn Yase ist Morning-Show-Moderatorin und dafür muss man schon ziemlich früh aufstehen, aber ich möchte jetzt erstmal mit jemandem reden, der nicht wegen der Arbeit so früh aufsteht, sondern aus welchen Gründen auch immer freiwillig.

Der 5 AM Club: Freiwillig um 5 Uhr aufstehen?

Svenja Folkerts

„Ich stehe total gerne um 5 Uhr morgens auf. Das ist so eine goldene Stunde für mich morgens.“

Das sagt Svenja Folkerts. Auf sie bin ich durch ein YouTube-Video aufmerksam geworden, da zeigt sie ihre Morning-Routine und dadurch, dass sie um 5 Uhr morgens aufsteht, erfüllt sie eigentlich alle Kriterien, die es braucht, um Teil des 5am Clubs zu sein, den wir ja auch eingangs schon erwähnt haben.

Svenja Folkerts

„Es kam aber bei mir so ein bisschen durch die Pandemie, dass ich mehr Bücher über Persönlichkeitsentwicklungen gelesen habe. Und dann habe ich ein Buch gelesen, was mich total fasziniert hat. Und da geht es eben darum, dass man eine Morgenroutine für sich entwickelt.

Und es hat so sehr mit mir resoniert, als ich das gelesen hab, dass dachte, wow, das probiere ich einfach mal aus. Und dann habe ich es erst mal mit 6 Uhr ausprobiert und dann irgendwann bin ich tatsächlich auf 5 Uhr gegangen, weil ich gemerkt habe, dass ich mehr Zeit für mich morgens haben möchte als nur eine halbe Stunde.“

Mich hat interessiert, ob Svenja denn wirklich beim ersten Wecker klingeln auch aufsteht. Also ich persönlich snooze mindestens zweimal und Svenja meinte, einmal snoozen ist bei ihr auch drin. Also sie hat so einen Lichtwecker, der lässt sie so langsam wach werden und den schaltet sie dann aus und dann hat sie aber noch einen zweiten Wecker und zwar im Bad.

Die goldene Stunde: Der Vibe am frühen Morgen

Svenja Folkerts

„Wenn ich denen dann klingeln höre, dann muss ich ja aufstehen und zu 99% der Fälle bleib ich dann auch wach.

Außer an Morgen, wo ich so richtig, richtig erschöpft bin und merke, nee, also es geht jetzt gerade gar nicht, dann leg ich mich wieder hin. Genau, aber zu 99% der Fälle bin ich dann im Bad und bleib dann auch dort und mach mich dann fertig.“

Ok, aber jetzt nochmal ganz allgemein zum 5am Club. Wie schon gesagt, der wurde von Robin Sharma eingeführt, das ist ein Motivationscoach, der hat ein Buch darüber geschrieben und es geht nicht nur darum um 5 Uhr morgens aufzustehen, sondern man soll die erste Stunde des Tages nach der 20-20-20 Methode aufteilen.

Das heißt, du sollst 20 Minuten Sport machen, dann 20 Minuten Selbstreflektion und dann nochmal 20 Minuten sich weiterbilden, beispielsweise indem man nochmal was liest. Ganz so streng nach dieser 20-20-20 Methode lebt Svenja jetzt nicht. Wenn sie morgens im Bad fertig ist, dann macht sie erst mal noch eine Atemübung.

Svenja Folkerts

„Da mach ich einfach ein YouTube-Video an und leg mich dann auf den Rücken und hab dann Augenkissen auf und hab die Kopfhörer drauf und dann mach ich die Atem-Session. Und das hilft mir auch irgendwie, dem Körpergefühl so ein bisschen zu reinigen, auch aufzuwecken. Ich fühl mich danach total ausgeglichen.“

Und ihr restlicher Morgen, der variiert so ein bisschen, je nachdem, wie es ihr geht. Also, sie meditiert, manchmal fünf, manchmal zehn, manchmal 15 Minuten, je nach dem, was sie gerade braucht. Und dann journalt sie noch. Also, die schreibt ihre Gedanken und ihre Gefühle auf und versucht, sich so zu reflektieren.

Svenja Folkerts

„Nachdem ich dann ruhig in den Tag gestartet bin, im besten Fall, gehe ich dann noch zum Sport. Ich gehe 3-4 Mal die Woche zum Sport, das mache ich am liebsten morgens. Das dauert ungefähr eine Stunde. Wenn ich dann wieder zu Hause bin, schnell duschen, dann mache ich mich an die Arbeit ran.“

Man muss natürlich dazu sagen, das passt jetzt nicht in jede Lebensrealität. Also Svenja hat flexible Arbeitszeiten, kann im Homeoffice arbeiten. Wenn sie doch mal ins Büro muss, dann passt sie ihren Morgen auch ein bisschen an.

Was ich mich nur gefragt habe, ich habe es ja eingangs schon erwähnt, ich habe immer das Gefühl, Leute, die so früh aufstehen, die finden es auch geil, wenn andere Leute wissen, dass sie so früh aufstehen. Deswegen habe ich natürlich Svenja auch gefragt, was sie dazu sagt.

Svenja Folkerts

„Dabei gehe ich tatsächlich nicht hausieren. Wenn ich gefragt werde, dann erzähle ich das. Aber es ist nicht so, dass ich darauf extrem stolz bin oder denke „Ha! Ich mach morgens schon ne Menge und du drehst dich noch mal um.

Ich kann mir vorstellen, dass es bestimmt Menschen gibt, die das einfach toll finden, weil sie vielleicht sehr leistungsgetrimmt auch sind und denken, ja, dann hab ich morgen schon was getan, ich hab schon X, Y und Z gemacht und war super produktiv.

Menschen, die einen komplett anderen Biorhythmus haben, also irgendwie länger schlafen und abends eher produktiv sind. Ich glaub nicht, dass die weniger produktiv sind, die haben nur einfach andere Zeiten.“

Also das kann ich zumindest mal für mich bejahen. Also ich bin abends deutlich produktiver und deswegen werden, glaube ich, auch große Teile dieses Podcasts eher so gegen Abend, vielleicht sogar in der Nacht entstehen.

Aber jetzt haben wir von Svenja ja schon mal erfahren, warum sie so früh aufsteht, wie ihre Morning-Routine aussieht, aber ich möchte ja als so Nachtmensch auch gern mal checken, was macht denn den Morgen so einzigartig? Was ist dieser Vibe vom Morgen?

Svenja Folkerts

„Für mich ist das tatsächlich auch Ruhe, Stille. Ich mag total gerne morgens in unserem Garten einfach reinschauen, dann die Vögel hören und einfach so die Natur beobachten, dann schon in mich selber hineinspüren.

Ja, ich liebe einfach diese ruhige Stunde am Morgen, die einfach so viel Potenzial in sich hat. Das ist so, der ganze Tag liegt noch so vor einem und das hat irgendwie was Magisches, finde ich. Ja, das so fühlt es sich für mich an.“

Ja, okay, ich muss zugeben, das klingt schon ziemlich gut oder, wie Svenja Folkerts das so schön formuliert hat, magisch.

Interview mit Yase: Der Alltag einer Morningshow-Moderatorin


Aber ich verbinde mit dem Morgen immer so ein bisschen was anderes, nämlich Müdigkeit, sich irgendwie unter die Dusche schleppen oder, und jetzt, passt auf, kommt eine super Überleitung. Als ich früher mit meiner Mutter oder mit meinem Vater zur Schule gefahren bin, da lief im Auto immer Radio. Und wer erinnert sich, wir wollten ja auch noch mit Yase sprechen.

Yase ist Morning Show Moderatorin bei ENERGY Nürnberg und mit ihr habe ich mal über ihren Job gesprochen.


Hallo Yase! Wir kennen uns ja schon, weil ich hab ja mal ein halbes Jahr bei euch Praktikum gemacht. War da auch ab und zu mal in der Morningshow-Schicht. Und ich weiß nicht, ob du mich da mal gesehen hast. Aber ich weiß noch, das war für mich der reinste Horror. Weil dieses frühe Aufstehen, ich hab… Boah, ich glaube, ich sah aus wie ein Zombie. Das war ganz schlimm.

Yase

Aber schau, das ist mir gar nicht aufgefallen, dass das für dich so Horror war. Also entweder hast du es gut überspielt, oder es ist doch nicht so schlimm für dich.

Also es war nicht Horror, wegen dem Arbeiten, es war eher Horror wegen der Uhrzeit, es war ganz ganz schlimm, aber von wann bis wann geht eure Show nochmal?

Yase

„Also wir haben immer von 5 Uhr bis 10 Uhr Show und das heißt natürlich kurz vor 5 sollten wir auch im Sender sein. Ich hab eventuell auch schon das ein oder andere Mal verschlafen und es nicht ganz pünktlich geschafft, aber kriegt man dann auch irgendwie hin.“

Das heißt, wie viel Uhr stehst du normal auf?

Yase

„Ja, ich muss ehrlich sagen, ich steh auf dem allerletzten Drücker auf, so zwischen 4.15 und 4.30 Uhr, weil man sieht’s vielleicht auch. Gut, du gerade, die Hörer jetzt nicht, aber ich, wirklich, ich steht auf, putz Zähne, kemm grob meine Haare, nicht so richtig, und dann zieh ich mich an und los.“

Ja, aber vor 5 Uhr ist schon krass, weil dann bist du ja noch früher dran als dieser berühmt berüchtigte 5am Club. Wie sieht denn eigentlich so dein Rhythmus aus? Also du stehst dann um 4.15 Uhr auf, dann machst du dich fertig, wann isst denn du, wann gehst du schlafen? Wie sieht so ein Tag grob aus, sag ich mal?

4:15 Uhr Wecker & die Nachteile des Frühdienstes

Yase

„Mhm, dass ich mal überlegen, weil das Gute wäre natürlich, wenn man so einen richtigen schönen Rhythmus und einen richtigeren Ablauf hätte. Aber weil ich, ich bin eh nicht gut strukturiert, deswegen geht bei mir um alles drunter und drüber.

Aber wenn’s gut läuft, dann ist so ein perfekter Tag, dass ich so zwischen 13 und 14 Uhr Feierabend hat, dann geh ich nach Hause, erstmal Mittagsschlaf. Ganz wichtig, wenn mal Frühschicht hat, immer Mittagsschläfchen machen. Gut wären natürlich so eine halbe Stunde, manchmal eskaliert und es werden so drei Stunden, das ist schlecht. Danach kommst du nicht mehr in die Gänge. Und dann versuche ich wirklich, und dann ist es das Perfekte, dass ich das letzte Mal so um 16 Uhr esse und dann so um 21 Uhr ins Bett.“

Um 16 Uhr Abendessen?

Yase:

„Aber kennst du das, wenn man so voll gefressen ist und dann ins Bett muss? Wenn ich jetzt um 19 Uhr zum Beispiel esse, wie normale Menschen das machen. Und dann aber um 20 oder 21 Uhr ins Bett gehe, ich bin eine alte Frau, das kann ich nicht.“

Aber das ist krass, 16 Uhr essen ist schon heftig.

Yase

„Ich weiß. Aber das ist auch nicht die Regel. Also es ist wirklich manchmal bin ich ja mit normalen Menschen auch unterwegs und die wollen dann halt abends um 18, 19 Uhr essen gehen, das schaffe ich dann schon auch irgendwie.“

Weißt du, was ich mich immer gefragt habe, was hören eigentlich so Morgenshow-Moderatorinnen auf dem Weg zur Arbeit, weil ich gehe mal davon aus, eine Morningshow nicht. Hört ihr noch das Nachtprogramm, hörst du ein Podcast, was hörst du morgens, wenn du zur Arbeit fährst?

Yase

„Ich höre ganz viel News-Radiosender, weil ich schon mal gucke, das hat ja auch so was zu tun mit Sendungsvorbereitung, je nachdem, wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, höre ich die Radiosender durch, was die anderen so schnell machen, damit ich schon mal Bescheid weiß.

Und ansonsten, wenn mit dem Fahrrad fahre, genieße ich einfach die Stille. Manchmal höre ich irgendwo noch einen Besoffenen grölen, der gerade von der Party unterwegs ist, nach Hause und das war’s.“

Bist du dann froh, dass du nicht der Besoffene bist oder würdest du sagen, du wärst dann auch lieber der Besoffene, der erst heimkommt, anstatt dann zur Arbeit zu gehen?

Yase „Mal so, mal so!“

Jetzt haben wir ja 11 Uhr, das heißt eure Show ist ja schon rum, wie müde bist du?

Yase

„Gerade geht’s. Meistens kommt das Tief erst so um zwölf. Also gerade bin ich wirklich, das liegt vielleicht auch an dir, dass ich gerade mit dir spreche, ich bin ein bisschen überdreht, aber gerade ist eigentlich ganz gut.“

Würdest du sagen, du bist eher so ein Morgen- oder Nachtmensch?

Yase: „Ich bin voll der Morgenmensch. Ich kann auch, du kannst mich wecken und ich kann sofort sprechen. Weil es gibt ja Leute, die sind Zombies, wie du vorhin meintest. Ja, absolut. So bin ich überhaupt nicht. Also ich kann aufstehen und bin sofort fit im Kopf. Also natürlich, ich schau auch verpennt aus und so, aber ich kann denken, weil manchen fällt das ja schwer.“

Ich glaube, das ist ganz von Vorteil, wenn man morgens schon im Radio arbeitet, dass man dann reden kann.

Yase: „Ja, ist besser.“

Seit wann machst du das jetzt schon? Seit wann bist du Morningshow Moderatorin?

Yase

„Morning-Show… Uh, jetzt stellst du eine gute Frage. Ich glaube, jetzt wird Mark, mein Kollege, gleich schimpfen, weil der weiß immer, wann wir Jahrestag haben und so. Sechs Jahre sind’s.“

Fällt dir das Aufstehen da morgens immer noch schwer oder ist es mittlerweile eine Routine?

Yase:

„Ne, am Anfang war’s schlimmer, aber so richtig zu 100% dran gewöhnen, das funktioniert nicht, weil, sind wir ehrlich, die Uhrzeit ist einfach krank. Die ist krank und asozial, da kann man sich nicht dran gewöhnen.“

Schön, dass du das so ehrlich sagst, weil das dachte ich mir auch.
Vor allem, wie hart ist es denn, wenn man morgens schon so gut gelaunt sein muss? Weil wir kennen ja alle Morning-Show Moderatorinnen, die sind ja immer unfassbar gut gelaunt morgens.

Yase:

„Da muss ich jetzt auch mal ganz ehrlich sagen, weil oft wird uns Morning-Show-Menschen ja unterstellt: ‚Ja das ist ja alles so gekünstelt und so gespielt und ihr seid so Möchtegern gut drauf.‘ Aber ich schwöre, ich schwör euch, wir sind wirklich gut drauf.

Und ich glaube, das liegt am Team. Du kennst es ja auch, wenn du mit deinen Leuten unterwegs bist, dann hat man auch, wenn man früh aufstehen muss, Spaß einfach irgendwann. Und wenn man zu zweit oder zu dritt das macht wie wir morgens, dann ist man einfach wirklich gut gelaunt. Auch wenn es mir niemand glaubt.“

Aber glaubst du, das wollen die Leute wirklich? Also ich kann mich dran erinnern, früher in der Schule, ich bin da morgens, ich saß im Auto, halbtot und dann waren die so aufgedreht im Radio und ich war so: „Oh Gott ey, sei doch ruhig, bitte.“ Könntest du das ab morgens?

Yase:

„Ich könnte es ab, ja, wahrscheinlich, weil ich auch so ein Morgenmensch bin, aber ich kann auch verstehen, wenn es Leute gibt, die sagen, ich will einfach meine Ruhe und ich bin ja jetzt relativ bekannt dafür, dass ich auch einen sehr lauten Lacher hab und es gibt auch Leute, denen das auf die Nerven geht morgens und die deswegen wahrscheinlich wegschalten, aber gut, das ist ja immer Geschmackssache und ich würde es mir morgens anhören, also nicht meine eigene Show, Gott, das klingt jetzt voll unsympathisch, ich meine halt gut gelauntes Radio.“

Ich glaube, vielleicht ist es auch so ein bisschen das Gegenteil von dem, wenn die Leute fahren so morgens müde, schlecht gelaunt in die Arbeit und dann muss jemand anderes für die Stimmung sorgen.

Yase:

„Vielleicht motiviert das so ein bisschen, aber zum Beispiel Kurt Krömer, der hat ja auch einen Podcast, den ich übrigens liebe, und der lästert auch immer über Morningshows. Der sagt auch immer, das ist das Schlimmste.“

„Morning-Show-Hirn“ und Wochenend-Rhythmus

Es ist nicht einfach, ich glaube viele können das nicht nachvollziehen. Gibt es denn so Vorteile, wenn man so früh arbeitet?

Yase:

„Hä, zu 1.000%? Okay, das klingt jetzt auch wieder nach alter Frau, aber guck mal. Arzttermin, ja? Wenn du irgendwo oder jemand, der normalere Arbeitszeiten hat, einen Arzttermin ausmachen willst, dann sagt man ja, ich kann frühestens so ab 17 Uhr, dann wartest du monatelang. Und ich kann halt sagen, ja so ab 12 Uhr könnte ich schon. Und dann heißt es immer, nächste Woche, gute Zeit, können Sie vorbeikommen. Oh Gott, das klingt echt sau alt.

Aber ansonsten… Im Sommer ist es auch richtig schön, wenn du zur Arbeit unterwegs bist und die Sonne langsam aufgeht. Und ich liebe Sonnenaufgänge und ihr alle da draußen verpennt die halt jeden Tag. Und ich seh die.“

Ja…

Yase: „Das war aber ein trauriges Lächeln gerade.“

Ja, ich würde auch gerne einen Morgenaufgang sehen. Ich sehe aber immer eher den Sonnenuntergang, das ist das Problem. Ja, auch gut.

Yase: „Der Aufgang ist schöner.“

Wie ist denn so der Vibe morgens, wenn man da so steht? Ich meine, euer Studio habt da ein Riesen-Fenster, so zur Straße hin, wie ist denn das, wenn man morgens auf der Arbeit ist, so ganz früh morgens. Man sieht draußen die Autos fahren, vielleicht mal ab und zu ein Vogelzwitschern, wie ist so der Vibe morgens beim Arbeiten?

Yase:

„Der Vibe ist, das muss man ja auch dazu sagen, schon immer recht stressig, weil wir haben ja gut zu tun. Wir gehen ja eigentlich nach jedem Song oder nach jedem zweiten Song rein und haben irgendeinen Wortbeitrag.

Aber ansonsten haben wir es auch, dass wir manchmal aus dem Fenster starten, wenn wir mal eine Minute Zeit haben. Und dann, das Hirn muss auch mal kurz runterfahren. Dann starrst du einfach aus dem Fenster und denkst dir: „Ach da draußen, die Leute sind gerade auf dem Weg zur Arbeit. Vielleicht haben die Autofahrer ja Energy an und freust dich einfach.“

Und was sind so die negativen Aspekte, die Nachteile? Weil das kann nicht alles geil sein, auch wenn du mir das jetzt so verkaufen willst.

Yase:

„Nein, ist auch nicht alles geil, aber da sind wir auch wieder bei den Arbeitszeiten, weil ganz oft gehe ich ins Bett, wenn ich draußen noch die Kinder spielen höre und ich denke mir halt so, okay, es sind irgendwelche Fünfjährigen noch am Spielplatz und ich muss ins Bett. Wollt ihr mich verarschen?

Aber es ist okay, natürlich ist das aber ein ganz großer Minuspunkt oder auch wenn der Freundeskreis, die haben ja alle ganz andere Arbeitszeiten, die gehen halt, die fangen halt an, was zu machen, wenn Ich langsam so ins Bett gehen müsste.

Und ich bin halt immer die, die sagt, ja, freitags kann ich schon, aber unter der Woche ist immer ein bisschen blöd. Oder auch unter der Woche ins Kino gehen, so abends mal, ist ja eigentlich nett. Ich kann immer nur am Wochenende.“

Aber wie sehr schränkt dich das dann wirklich so ein, wenn du, wie du sagst, dich nicht mit Freunden treffen kannst oder so dein Tagesablauf ja so, ich meine das ist ja teilweise im Sommer bis 10, halb 11 hell und du liegst um 8 im Bett.

Yase:

„Ja, man muss, ich sag das immer so im Spaß, es gibt eine Winter- und eine Sommer-Yase und im Sommer nehm ich’s einfach in Kauf, dass ich sehr oft sehr müde bin am Morgen, weil da will ich einfach raus, ich mach’s einfach, da bin ich auch unterwegs oder es sind ja auch viele Festivals oder du kennst ja Nürnberg, am Wanderer sitzen, das ist schön, sitzt du draußen mit Leuten und trinkst eben was und sitzt halt auch bis 10, 11, aber ich lieb das und das mach ich dann auch einfach.

Ich bin ja noch in dem Alter, da kann man’s machen, da schafft es der Körper schon irgendwie.“

Und wie lange willst du das Ganze noch machen? Also gibt’s irgendwann den Moment, wo du sagen würdest, okay, jetzt will ich doch vielleicht mal eine gemäßigtere Zeit wieder haben?

Yase:

„Ja, also so momentan ist das schon guter Flow, mir macht das Spaß, aber für die Ewigkeit glaube ich kann mein Körper das auch nicht. Aber ich kann dir jetzt nicht sagen, keine Ahnung, noch 5 oder 10 Jahre, aber bestimmt ist es begrenzt das Ganze.“

Du hast gerade noch auf deinen Körper angesprochen, wie wirkt sich denn das auf dich aus? Also bist du dann wirklich auch so ausgelaugter als du vor sechs Jahren warst, sag ich mal?

Yase:

„Bestimmt, ich bilde mir auch die ein oder andere Falte mehr ein und die hat, glaube ich, nicht nur was mit dem Alter zu tun. Und ich glaube schon, dass ich manchmal auch, ich habe, ich sag da immer dazu: das „Morning-Show-Hirn“. Manchmal habe ich so Lücken im Kopf, wo ich denke, so Wortfindungsstörungen fast schon.

Keine Sorge, ich hab das abklären lassen, ist alles in Ordnung, aber ich glaube, ich bin manchmal einfach so müde, dass mein Hirn nicht richtig funktioniert.“

Aber krass! Hätte ich ja nicht gedacht, dass man dann als Morningshow-Mensch dann auch immer noch so krass müde ist und sich… Also, dann quälst du dich ja quasi wirklich jeden Tag immer noch dadurch, oder?

Yase:

„Na, nee, ich quäle mich nicht. Ich glaube, das kann ich jetzt natürlich nicht zu 100% sagen, aber ich denke, wenn ich um 7 Uhr aufstehen müsste, am Anfang würde ich mir denken, oh Gott, geil, ich kann ausschlafen, aber nach einem halben Jahr oder so, wäre ich um 7Uhr morgens auch müde, wenn der Wecker klingelt. Also ich glaube, es gibt für mich keine Uhrzeit, wenn ich gezwungen bin aufzustehen, zu der ich nicht müde bin. Weißt du, was ich meine?“

Da können wir relaten. Das ist bei mir dasselbe. Also wenn der Wecker klingelt, bin ich müde.

Yase: „Ja, siehst du?“

Kannst du dann am Wochenende wenigstens ausschlafen oder bist du am Wochenenden auch schon um 4 wach?

Yase:

„Kann ich voll gut.

Früher konnte ich es nicht, die ersten ein, zwei Jahre, als Morning-Show neu für mich war, da war ich echt immer morgens spätestens um 6 wach, was echt komisch war. Aber mittlerweile, ich weiß nicht, ich meine, ich komm damit ganz gut klar.

Ich hab so ein Wochenend-Schlafrhythmus und einen unter der Woche. Also ich bin am Wochenende zum Beispiel ein Nachtmensch, da bin ich auch manchmal bis um 2 oder so wach.“

Das ist das, wo ich unter der Woche wach bin. So, zwei.

Yase: „Und wie lange bist du dann am Wochenende wach?“

Ja, manchmal noch länger, aber teilweise auch wenn ich nicht weggehe.

Yase: „Ich wollte gerade sagen, ich rede nicht vom Feiern, ne? Du bist einfach Zuhause… Was machst du denn da, Kind?“

Das ist schlimm, es tut mir leid, das ist schlimm auch heute, ich arbeite ja eigentlich auch gerade. Ich musste um 9 aufstehen, ich war trotzdem noch um 3 Uhr wach. Das ist mein Rhythmus.

Yase: „Heftig!“

Also kannst du empfehlen, Morning-Show Moderatorin zu werden?

Yase:

„Absolut. Daumen hoch. Vor allem, wenn du ein cooles Team hast so wie ich. Ich liebe die alle hier und dann macht es halt richtig Spaß. Und das ist ja das Wichtigste, das wissen wir, man muss immer den Job haben, wo man mit einem guten Gefühl hingeht und das habe ich. Hat kitschig geklungen, ne?“

Bisschen, aber auch schön. Das ist so ein Schönes, wo man so ausfaden kann, mit Musik so.

Yase: „Ja, sehr gut.“

Wissenschaft erklärt: Was ist Ihr Chronotyp?

So, wir sind jetzt circa in der Halbzeit von diesem Podcast angekommen.

Ich finde, wir haben den Morgen schon ganz gut abgedeckt. Ich habe einen guten Eindruck davon bekommen, was Morgenmenschen so toll an dem Morgen finden. Wir wissen, warum manche Menschen freiwillig so früh aufstehen. Und wir haben herausgefunden, wie es den Alltag beeinträchtigt, wenn man so früh raus muss. Und wie es dann auch noch ist, wenn man die ganze Zeit so gut gelaunt sein muss.

Also ich denke, wir können uns gedanklich jetzt etwas mehr Richtung Abend begeben. Aber, wir tun jetzt mal so, als hätten wir quasi Mittag und nutzen diesen Übergang zwischen Früh und spät für eine kleine wissenschaftliche Einordnung.

Dafür habe ich mit Ann-Sophie Look gesprochen. Sie war zum Zeitpunkt der Aufzeichnung Doktorantin im Zentrum für Chronobiologie in Basel und sie arbeitete da zusammen mit der renommierten Schlafforscherin Doktor Christine Blume. Mit ihr hat sie sich auch auf diesen Podcast vorbereitet.

Wir haben über die verschiedenen Chronotypen gesprochen. Der Chronotyp, das ist quasi der Ausdruck unserer inneren Uhr. Also ob man eher ein Morgen- oder eher ein Nachtmensch ist. Und da spielen vor allem die beiden hier eine Rolle:

Bild von DinydeKort via Pixabay
Bild von Kathy Büscher via Pixabay

Das Erste haben wahrscheinlich die meisten erkannt, das war eine Eule, und das Zweite, das war eine Feldlerche. Eule und Lerche, das haben wir heute schon ein paar Mal gehört, das sind zwei der insgesamt drei Chronotypen, der Dritte, das ist der Normaltyp, der siedelt sich da zwischen den beiden ein. Und was das genau bedeutet?

Ann-Sophie Look – Doktorantin im Zentrum für Chronobiologie in Basel:

„Eine echte Lerche, also so ein Frühtyp, das ist jetzt eine Person, die an freien Tagen gern auch schon mal so gegen 22 Uhr ins Bett geht und ist dann auch meistens schon recht früh, so ab 6 oder vielleicht sogar noch früher, wach.

Und eine Eule ist dagegen dann eher eine Person, die es eher lieber ein bisschen später mag, vielleicht so nachts um 1 oder 2 ins Bett geht und dafür sieht man die Eule dann auch nicht so früh oder vielleicht nicht um 7 am Frühstückstisch. Zumindest nicht, wenn sie sich das irgendwie freiwillig aussuchen können an ihren freien Tagen.

Und eben diese Normalneutral-Typen, die siedeln sich dann meist irgendwo dazwischen an.“

Was man nach Ann-Sophie Look aber auch sagen muss, ist…

Ann-Sophie Look:

„Dass die Einteilung auch ein Ticken künstlich ist in diese drei Typen, weil es geht jetzt ja auch nicht darum, dass man da alle in Schubladen schieben möchte oder muss. Das heißt, diese Übergänge zwischen den Typen sind auch fließend und es gibt da ganz viel Grau zwischen diesen Extremtypen. Man muss eigentlich denken, das ist eigentlich eher so ein Kontinuum.“

Den eigenen Chronotyp bestimmen und anpassen

Es ist aber im Alltag eh nicht so wichtig, dass wir 100 % genau wissen, wo wir da einzuordnen sind. Es kann schon helfen, wenn wir unsere Präferenzen kennen.

Ann-Sophie Look:

„Wenn ich dann zum Beispiel eher ein Spättyp bin und frühmorgens einfach noch nicht so gut funktioniere, dann könnte ich zum Beispiel versuchen, mir Meetings nicht ganz so früh zu legen.

Und wenn ich dagegen eher ein früherer Typ bin, dann könnte ich vielleicht darauf achten, mich nicht ganz zu spät mit Freunden zu verabreden, sondern mal den späten Nachmittag oder den frühen Abend vorschlagen. Und vielleicht findet das ja Abnehmer.

Immerhin sind ja in meinem Freundeskreis dann bestimmt auch gleich oder zumindest ähnlich gesinnte und ich denke, wenn man da so ein bisschen seine Vorlieben und Tendenzen kennt, dann kann man sich vielleicht etwas besser danach ausrichten.“

So, jetzt stellt sich aber natürlich die Frage, wie kann ich denn meinen Chronotyp rausfinden?

Ann-Sophie Look:

„Um den Chronotype zu bestimmen, verwenden wir jetzt in der Schlafforschung gerne Fragebögen. Also es wird danach gefragt, wann man typischerweise, wenn man denn frei wählen dürfte, ins Bett gehen würde, wann man aufstehen würde, wann man vielleicht seine Arbeitszeit gerne legen würde und wann man sich dann besonders leistungsfähig fühlt und so weiter.

Und dann kann man da diese persönliche Tendenz ableiten. Diese Fragebögen gibt es zum Teil online verfügbar, also da kann man immer auch mal gucken. Ein Beispiel wäre der Münchner Chronotyp-Fragebogen.“

Es gibt auch gewisse Tests, die arbeiten mit Blut- oder mit Speichel oder mit Haarproben, aber:

Ann-Sophie Look: „die sind recht kostspielig und auch so vom Level der Genauigkeit ist das glaube ich für die meisten gar nicht so relevant.“

Und genau deshalb werden die auch nicht so oft benutzt. Also wenn man rausfinden will, welchen Chronotyp man hat, dann schaut man am besten nach diesen Tests im Internet oder man probiert es mal ohne Tests und versucht sich selber so ein bisschen genauer zu beobachten.

Ann-Sophie Look:

„Wenn ich jetzt frei wählen kann an freien Tagen, wo ich nicht arbeiten muss, wann würde ich denn gern ins Bett gehen, wann stehe ich gerne auf? Man kann immer ganz gut überlegen, wenn man mal so zwei Wochen im Urlaub ist und der zweiten Woche, wo pendel ich mich denn da ungefähr ein?“

So, da drängt sich aber trotzdem die Frage auf: Was ist, wenn ich meinen Chronotyp so richtig kacke finde? So was ist, wenn der einfach gar nicht zu meinem Leben so richtig passt und ich mein Leben jetzt vielleicht auch nicht so einfach umstellen kann? Wenn ich keinen Bock mehr hab, eine Eule zu sein, kann ich einfach eine Lerche werden oder wie läuft das?

Ann-Sophie Look:

„Also als extreme Nachteule werde ich mich nicht zu dem Frühtyp entwickeln. So diese ganz grundlegende Tendenz, die wir da haben, die wird schwierig, dass wir die ändern.“

Tipps & Tricks: Können wir unsere innere Uhr manipulieren?

Das ist blöd, aber es gibt laut Ann-Sophie Look trotzdem so ein paar kleine Kniffe, wie man seinen Chronotyp zumindest mal so ein bisschen austricksen kann und da spielt Lichtexposition eine große Rolle, also dass man sich dem Licht aussetzt.

Ann-Sophie Look:

„Also Licht ist für uns Menschen ein sehr starker Zeitgeber, der wirklich unsere innere Uhr beeinflussen kann und damit auch unseren Rhythmus ein bisschen verschieben kann.

Und wenn ich morgens mal so bald wie möglich nach dem Aufstehen rausgehe und wirklich im Tageslicht bin oder irgendwie sonst so eine ganz intensiv helle Lampe habe, wie zum Beispiel diese Therapielampen. Dann kann das dazu führen, dass ich mich etwas in Richtung einer Lerche verschiebe, also so ein bisschen mehr zum Frühtyp werde.“

Dasselbe gilt natürlich dann auch für abends, wenn ich spätabends noch viel Licht ausgesetzt bin, dann verschiebt sich mein Rhythmus auch ein bisschen nach hinten. Das ist ja auch der Grund, warum wir abends vom Schlafengehen nicht unbedingt noch so viel am Handy sein sollen. Und was dann auch noch helfen kann, das ist so eine gewisse Routine.

Ann-Sophie Look:

„Wenn man eine sehr konstante Schlafroutine beibehält, also wirklich immer zu den gleichen Zeiten ins Bett geht und auch aufsteht, dann kann man seine Tendenz da schon ein bisschen regulieren, aber auch da werde ich mich sicher nicht um Stunden umprogrammieren.“

Laut ihr wird der Effekt dabei aber jetzt auch nicht so groß sein, und was leider auch gilt.

Ann-Sophie Look:

„Je weiter man sich von seinem biologisch angelegten Chronotyp entfernt, desto mehr Kraft muss man da auch aufwenden, um da so einen Effekt überhaupt zu erreichen.“

Gefährlicher Biorhythmus: Das Phänomen „Sozialer Jetlag“

Und wenn ich jetzt über einen längeren Zeitraum wirklich sehr extrem gegen meinen Chronotyp lebe, dann kann das auch ziemliche gesundheitliche Folgen haben.

Ann-Sophie Look:

„Das führt bei Menschen ganz häufig zu etwas, was wir in der Wissenschaft den „sozialen Jetlag“ nennen. Das bedeutet, dass im Grunde genommen das Schlaffenster am Wochenende später ist als unter der Woche, weil wir uns am Wochenenden natürlich die Zeiten frei aussuchen und unter der Woche sind wir gebunden an diese Arbeitstage, Arbeitszeiten. Und diese Verschiebung zwischen Wochenende und Arbeitstagen, die nennt man dann ’sozialen Jetlag‘.“

Ja und genau so ein stärkerer sozialer Jetlag.

Ann-Sophie Look:

„Wurde in Studien auch wiederholt in Zusammenhang gebracht mit mehr depressiven Symptomen, Erkrankungen des Stoffwechsels, zum Beispiel Adipositas, Diabetes Typ 2 und zum Beispiel auch Rauchen und ungesunde Ernährung wurde hier assoziiert gefunden.

Allerdings muss man einfach dazu anmerken, dass die Wirkrichtung hier noch unklar ist und man weiß also gar nicht unbedingt, ob der soziale Jetlag jetzt wirklich diese Erkrankungen begünstigt.“

Also, es ist nicht unwahrscheinlich, dass so ein sozialer Jetlag diese Krankheiten begünstigen kann. Aber, wie Ann-Sophie Look auch schon gesagt hat, es ist eben noch nicht abschließend geklärt.

Was aber auf jeden Fall ein Fakt ist, wenn man gegen seinen Chronotyp lebt, dann ist es extrem kraftraubend und, was wir auch wissen, Schlafmangel kann diverse negative Folgen für uns haben. Sowohl psychisch als auch physisch. Außerdem kann sich das natürlich auch auf unsere Leistungsfähigkeit auswirken. Und, das hat Ann-Sophie Look auch nochmal bestätigt, unsere Gesellschaft ist eher auf Frühaufsteher ausgelegt.

Chrono-Working: Wenn der Job sich anpasst

Aber diese Erkenntnis hat es mittlerweile auch schon auf den Arbeitsmarkt geschafft. Deswegen gibt es jetzt einen Trend, und zwar das „Chrono-Working“. Also, dass man die Arbeit an seinen Chronotyp anpasst. Und natürlich ist das nicht überall möglich, aber ich bin bei meiner Recherche auf eine Klinik in Bayern aufmerksam geworden. Die macht das schon seit 2019, das ist die Klinik Wartenberg, die bezeichnet sich selbst auch als „ChronoClinic“ und da können sich die Mitarbeiter auf ihren Chronotypen testen lassen.

Das wird dann mit einem Bluttest gemacht und die Ergebnisse werden dann auch tatsächlich bei der Schichtplanung berücksichtigt. Das heißt jetzt zwar nicht, dass Eulen dort nie wieder eine Frühschicht machen müssen, aber gegebenenfalls eben deutlich weniger. Und das Ganze machen sie, weil im Vorfeld bei internen Erhebungen rauskam, dass eben Schlafstörung und damit verbunden Müdigkeit, Abgeschlagenheit und so weiter, beim Personal ein Thema waren und das soll sich jetzt tatsächlich gebessert haben.

Nächtliche Geschichten: Taxifahren in der Dunkelheit

Wir begeben uns jetzt mal in die Nacht.

Ich hab ja lange überlegt, welche Jobs für mich so „typisch Nacht“ sind, wo es im besten Fall dann halt auch was zu erzählen gibt. Und klar, man hätte jetzt mit Kneipenbesitzern reden können oder mit Menschen in Clubs oder auch Menschen, die nachts im Krankenhaus arbeiten.

Aber dann dachte ich mir, wo kommen alle Menschen irgendwie zusammen? So, wer sieht während seiner Arbeit alle Facetten der Nacht? Und da bin ich auf den TikTok-Account von Marcel Hannan gestoßen. Er ist Taxi-Unternehmer und Inhaber von Taxi Mars, so heißt übrigens auch sein Account, und er fährt schon seit etlichen Jahren Menschen umher.

Und was er da so erlebt, das erzählt er dann eben auf Social Media. Und ich hab mit ihm gesprochen und ihn gefragt, was er als Taxifahrer denn so explizit nachts erlebt. Und die Antworten hab ich jetzt mal in einer Collage zusammengepackt.

Marcel Hannan über’s Taxifahren in der Nacht:


Jeder, der wirklich „Fahren“ auch leidenschaftlich macht, der wird mir recht geben, dass es nachts einfach besser ist. Du kannst eigentlich immer davon ausgehen, Tag ist immer dasselbe Schema. Du fängst an, du hast dann den einen oder anderen, der zum Arzt muss, dann die Leute, die zum Bahnhof müssen oder sonstiges. In der Nacht ist es wirklich kunterbunt durchgemischt. da hast du wirklich alles.

Du hast die Leute die feiern sind, dann hast du die Leute die einfach nur so in der Kneipe waren, dann hast die die Studenten. Wie gesagt, du triffst da wirklich alles von der Gesellschaft und dann hast auch…die wildesten und krassesten Geschichten, die mir tatsächlich jetzt in zehn Jahren Taxi passiert sind, sind immer in der Nacht passiert. Also da kommen Leute auf Ideen. Also es ist echt erstaunlich, so was da so alles passiert.

Also ich bin jetzt seit ungefähr fast zehn Jahren im Taxigeschäft unterwegs und bin davon irgendwie sechs oder fast sieben Jahre lang nur nachts gefahren. Und es ist auch immer so das gängigste, dass die Leute tatsächlich mit den Nachtschichten meistens immer anfangen. Weil die Tagschichten beliebter sind und die werden dann von den Alteingesessenen quasi durchgeführt und dann die jüngeren Leute, oder so wie ich auch damals nur am Wochenende angefangen habe, das ist dann natürlich lukrativer, wenn du nachts fährst und dementsprechend ist eigentlich jedem Taxifahrer oder auch Taxi-Unternehmer die Nachtfahrten bekannt und ich glaube so, das ist immer so der erste Einstieg ins Taxigeschäft.

Ich hatte mal einen Fall gehabt, ich habe gerade gesehen, der war sich ja so am übergeben, am übergeben und dann habe ich halt mit einer Hand irgendwie das Lenkrad gehalten, weil wir haben ein Automatikgetriebe, und mit der anderen Hand hab ich dann das Oberteil vor ihm hochgezogen. Der hat so einen Hoodie angehabt, dass er dann ins Hoodie reingekotzt hat.

Nachts ist immer eine ganz andere Welt. Und da sehen wir wirklich alles. Die ganze Gesellschaft zeigt sich dann in der Nacht. Und gerade, glaube ich, wenn man ein bisschen getrunken hat, dann ist man halt auch umso ehrlicher. Weil man nicht darüber nachdenkt, was man sagt.

Ich hab ja in meiner Zeit, ich glaub, keine Ahnung, viele Tausend Menschen durch die Gegend gefahren und kennengelernt. Und es hat auch so eine schöne Momente. Also wenn du da irgendwie ältere Menschen hast, die dir von ihrem Leben erzählen, jüngere Leute, die gerade irgendwelche Schicksalsschläge durchmachen.

Ich hab ja auch tatsächlich eine Geschichte gehabt, wo ich auf einmal dann teils in die Eheberatung reingegangen bin, wo die Frau gerade ihren Mann betrogen hat, und die waren seit zehn Jahren zusammen, oder sind seit zehn zusammen, und die mich gefragt hat, was ich machen soll… Und ich habe gesagt: „Na, was soll ich dir denn für einen Tipp jetzt geben?“

Meistens höre ich auch tatsächlich nur die Leute, die sich beschweren und nie was Positives sagen. Also selten, du hast selten mal einen Fall, wo einer sagt „Oh, das ist ja mal eine erfreuliche Nachricht“. Also die meisten Leute, die beschweren sich. Also ich bin auch irgendwo so ein Kummerkasten. Dann kommt natürlich hinzu, dass die Leute aufgrund diverser Einflüsse, sei es Alkohol oder vielleicht doch leider die ein oder anderen Drogen, natürlich auch menschlich ganz anders zu dir sind. Sie sind schneller gereizt oder sonstiges. Das heißt, du musst zwischenmenschlich auch ganz anders agieren.

Wenn du jetzt am Tag ganz normal mit jemandem reden kannst, der das natürlich nüchtern und neutral betrachtet, kann es sein, dass du nachts jemanden drinnen sitzen hast – was bei mir leider auch oft passiert ist – der vielleicht gerade aus der Diskothek geworfen wurde, der nirgends mehr reinkommt, stark alkoholisiert ist und dann auch den Stress auf dich überträgt. Und da musst du halt gucken, wie du das dann händelst.

Ich versuche halt immer in erster Linie höflich zu bleiben und das Gespräch mit ihm zu suchen und zu sagen „Hey, hör mal, guck mal. Klar, da ist vielleicht gerade das und das passiert, dafür kann ich nichts. Ich bin der, der dich sicher nach Hause fährt.“ Und dann versuche ich aber als zweiter, wenn ich merke, da stoße ich auf Granit, dass ich dann sage, okay, dann versuch ich mir immer noch die Autorität zu bewahren, weil ich habe halt gemerkt, wenn du alles mit dir machen lässt, also es gibt ja Leute, die steigen ein und sagen „Hey, können wir die Musik mal voll aufdrehen? Können wir das machen?“ Und du alles zulässt, dann nehmen sie dich nicht ernst.

Aber wenn ich ihnen von vornherein meine Grenzen aufzeige und sage „Ey, hör mal, das und das können wir machen, aber hier ist Schluss“ und das behalte ich mir dann auch bei. Und dann ist halt so, ich versuche erst mal, wie gesagt, kulant zu denen zu sein. Versuche normal mit denen zu reden. Und wenn ich dann merke, okay das funktioniert nicht, dann werde ich halt ein bisschen, sage ich mal, ein bisschen anders im Ton und dann die letzte Konsequenz ist halt tatsächlich nach einer Ermahnung oder vielleicht sogar zwei Ermahnungen einfach rechts anhalten und den Fahrgast rauszuwerfen.

Wenn ich nachts fahre, sind die Türen immer verschlossen und wenn jemand ans Taxi herantritt, dann scanne ich den halt immer so ein bisschen. Wenn da jetzt ein Mann und eine Frau als Pärchen rankommt, dann kannst du natürlich die Tür aufmachen, dann weißt du, okay, da wird sehr wahrscheinlich nichts passieren oder wenn eine Frau einsteigt oder wenn jetzt ein jüngerer Mann alleine einsteigt…

Aber wenn einer vermummt auf mich zukommt, dann würde ich nur einen Spalt das Fenster aufmachen und würde fragen „Hey, was kann ich für euch tun?“ Oder „Wie kann ich dir helfen?“

Ja, also das Ding ist, wenn du Angst hast, solltest du diesen Job nicht machen. Und na klar gibt es immer wieder Konflikte und Situationen, aber von Angst würde ich jetzt nicht sprechen. Ich würde eher von Respekt sprechen. Also du hast Respekt vor der Situation und na klar spielst du immer so mit den Gedanken und guckst dann auch immer so in den Rückspiegel. Okay, wie ist er jetzt gerade drauf? Behältst du jetzt so ein bisschen Blick, aber Angst würde jetzt nicht behaupten. Also ich hatte doch nie Angst gehabt.

Mir ist zum Glück gottseidank noch nie etwas Krasses passiert. Also wie gesagt, das, was ja passiert ist, sind Sachen, wo ich mich verteidigen konnte. Wir hatten einen Taxifahrer in Bonn gehabt, der wurde mit einem Messer am helllichten Tag leider angestochen und war dann auch in der Notaufnahme oder ein anderer Fahrer, der halt auch tatsächlich mit einem Katana-Schwert angegriffen wurde mitten in der Nacht.

Also es gibt mehrere Situationen, die da halt wirklich passiert sind und die prägen dich auch irgendwo. Aber du lernst halt, damit umzugehen.

Der Charme der Nacht: Ruhe, Kreativität und Intensität

Und das war nur ein Ausschnitt von dem, was Marcel Hannan beim Taxifahren so erlebt hat und welche Eindrücke er bei seinen Nachtfahrten so gesammelt hat.

Ja, wir müssen jetzt natürlich auch darüber reden, was den Charme der Nacht so ausmacht. Und klar, ich könnte euch jetzt eine halbe Stunde zutexten, aber vielleicht ist es doch ganz nett, wenn ich nicht alleine über die Nacht schwärme.

Vielleicht ist euch auch schon die Musik hier oder allgemein der Klang dieses Podcasts aufgefallen. Dafür ist zum Großteil ein guter Freund von mir verantwortlich, Angelo Gaudio. Der ist zweifach ausgebildeter Mediengestalter und macht Musik seit er 14 Jahre alt ist. Deshalb hat er auch unter anderem die Musik für diesen Podcast hier produziert. Und er ist genau wie ich ein Nachtmensch.

Angelo GaudioMediengestalter

„Es ist ja so, tagsüber passiert halt sehr viel und du schlüpfst halt in viele Rollen. Du bist der Arbeitnehmer, dann bist du der Sohn, dann bist du Partner oder du bist der Bruder und so weiter und so fort. Und nachts, wenn du dann für dich alleine bist, da kannst du das halt komplett ablegen.“

Und ich hab auch das Gefühl, dass die Nacht alle Gefühle oder allgemein alles noch mal so ein bisschen intensiver macht. Weil ganz ehrlich so, überleg mal am Tag, so manche Geräusche nimmt man ja gar nicht wahr.

Jeder hat in seiner Wohnung irgendwo so diese eine Uhr, die immer so tickt. Die hörst du am Tag nicht, aber dann liegst du nachts im Bett oder so und auf einmal merkst du dieses Ticken und das wird so laut auf einmal. Oder auch wenn du nachts über die Straße läufst, dann hörst irgendwo – selbst wenn du in der Stadt bist – irgendwo eine Krille oder irgendein Insekt oder so. Und die Geräusche werden halt nachts so viel intensiver und ich finde auch die Gefühle werden nachts so viel Intensiver.

Also wenn du melancholisch bist, also wie krass man sich da nachts ja reinsteigern kann, das ist zwar auch ein bisschen gefährlich, man muss da schon auch aufpassen, weil ja also nachts, finde ich, kann man sich auch relativ schnell in so eine Negativspirale reinreden. Aber oftmals ist ja diese Melancholie und diese ganzen Gefühlen, die man nachts hat, irgendwie auch auf eine gute Art schlecht oder gut.

Angelo Gaudio:

„Ja, also wie du es halt gerade eben sagst, man nimmt halt viele Sachen intensiver wahr, weil es halt so ruhig ist. Also zuhause bei uns ist es, du hörst immer die Schaltkreise. So diese eine verkackte Glühbirne. Wegen der glaube ich schlafe ich einfach nicht.

Ja, aber ne wie du das gerade eben aufgegriffen hast, also in der Nacht ist alles irgendwie intensiver. Es ist alles so ein bisschen träge. Laue, warme Sommernächte, wo die Nacht halt auch erst viel später anknüpft, erst so gegen 10 Uhr gefühlt, weil da erst die Sonne untergeht, da hat man halt auch einfach einen ganz anderen Kopf.

Also per se kann man halt glaube ich schon sagen, dass die halt Nacht einfach gewisse Emotionen, gewisse Gefühle stärker fühlen lässt, einfach weil es halt ruhiger ist.“

Man wird auch viel philosophischer nachts.

Angelo Gaudio:

„Ganz extrem, also, ganz dummes Beispiel, ich weiß noch, das war letztes Jahr, nee, das war vorletztes Jahr, sorry. Vorletztes Jahr an so einer Sommernacht, da habe ich mit einem Kollegen an einem Parkplatz gechillt und wir haben halt, ich habe halt im Auto so Campingstühle, wir haben die ausgepackt, haben uns hingesessen und dann so von jetzt auf gleich so über alles geredet.

Und das war nicht einmal so mein bester Freund oder so, das was wirklich, das war ein sehr, sehr guter Mitschüler von mir, der wohnt halt bei mir im Nachbardorf. Und dann haben wir einfach von jetzt auf gleich abends angefangen über Familie zu reden, über verflossene Liebe, über das Universum.“

Ich hab auch immer das Gefühl, nachts, das klingt jetzt so klischeehaft, aber nachts steht die Zeit so ein bisschen still. Also nachts ist es nicht so hektisch. Ich hab ganz viele Studienarbeiten auch nachts gemacht, weil ich irgendwie nachts auch nicht so das Gefühl hatte, dass ich jetzt, ich weiß nicht, in Konkurrenz stehe.

Also so am Tag, da sind alle produktiv. Am Tag hustlen alle, am Tag machen alle. Aber wenn ich nachts dann um drei irgendwie einen Text schreibe oder irgendwas mache, dann fühlt sich das an, als würde ich so der Einzige sein, der das gerade macht. Und ich hab das Gefühl, das gibt einem so ein bisschen so eine Ruhe, um sich auch noch mal besser zu konzentrieren.

Und allgemein auch diese Kreativität: also, wann immer ich irgendwas Kreatives machen muss, auch für diesen Podcast hier, das passiert eigentlich immer nachts. Vor allem, ich find, man kann sich nachts auch extrem gut in so Arbeiten reinsteigern.

Angelo Gaudio:

„Ich weiß nicht wieso, also nachts ist das halt irgendwie, da legt einmal so der Kopf um und dann ist man so in einem Turbo-Modus.“

Aber das Problem ist ja, das Nachtsarbeiten ist ja nur so lange geil, bis man dann am nächsten Morgen trotzdem halbwegs früh aufstehen muss und dann fehlen einem halt die Stunden Schlaf und dann schleppt man sich die ganze Zeit nur so durch den Tag durch. Weißt du, was ich meine?

Die Musik der Nacht: Ein melancholischer Beat

Angelo Gaudio: „Das ist so eines der Dinge, ich wünsche mir so sehr, dass ein Mensch wirklich nur mit einer Stunde Schlaf auskommt. Das wäre wirklich so ein Segen, weil dann hättest du halt einfach effektiv 23 Stunden so am Tag, wo du alles machen kannst und davon wäre halt ein Drittel davon die Nacht.“

Oder dass man seinen Tag halt so umstellen kann, dass man sein ganzes Leben auf diesen Rhythmus auslegen kann, das man nachts einkaufen gehen kann, das man nachts alles machen kann. Wobei ich mich frage, ob dann nicht vielleicht auch so ein bisschen der Vibe von der Nacht verloren gehen würde, weil es ja gerade das ist, dass es da so ruhig ist.

Angelo Gaudio:

„Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Vibe von der Nacht kaputt gehen würde. Als ich 16 war, so letztes Schuljahr, bei mir 10. Klasse, letztes Schuljahr der Sommer, der wurde anders gelebt, werde ich nie vergessen.

Also wirklich, ich hatte meinen besten Freund damals gehabt, der hat hier die Straße runter gewohnt. Wir sind hier durch das ganze Dorf hin und her gezogen. Wir waren im Wald, wir hatten einen Spot bei uns hier direkt nebenan gehabt, so eine Parkbank, wo man eine Aussicht auf das Saar-Polygon hatte und wir haben jeden Tag sechs Wochen lang abends bis morgens durchgängig über Gott und die Welt geredet.

Ich bin ehrlich, die meisten, viele schöne Erinnerungen, die ich so, wenn ich jetzt so drüber nachdenken muss, ad hoc, die sind im Regelfall nachts passiert. Also wirklich so Momente, die du halt auch gar nicht im ersten Moment wahrnimmst, dass die irgendwann mal entscheidend sind für dein Leben.

Ich hab euch ja schon erzählt, dass Angelo mir bei der Gestaltung des Podcasts geholfen hat. Wir haben uns dann zum Beispiel zusammengesetzt und überlegt, wie der Morgen klingt. Welchen Vibe er hat und dabei ist dann dieser Beat entstanden.


Und ihr habt ja eben schon gehört, dass wir uns auch darüber unterhalten haben, was die Nacht für uns bedeutet und dann wollte ich von ihm mal wissen, wie die Nacht für ihn denn so klingt.


Angelo Gaudio: „Also für mich klingt die Nacht düster, träge, zu einem gewissen Grad auch geheimnisvoll, aber im Grundkern melancholisch.“

Das kann ich so unterschreiben und deshalb habe ich Angelo gesagt, er soll doch einfach mal einen Beat bauen, der für ihn die Stimmung der Nacht einfängt. Und ich habe ihn gebeten, mir für den Podcast nochmal genau zu erklären, wie der Beat zustande kam und wie er die Nacht musikalisch abgebildet hat.

Angelo Gaudio:
„Ja, der Beat ist kurz vor meinem Urlaub entstanden, weil ich halt arbeitstechnisch viel unterwegs war. Und an dem Tag hat mich irgendwie die Muse geküsst, weil jetzt schon seit längerer Zeit keine Musik mehr gemacht habe.

Und normalerweise fange ich immer mit den Drums an. Immer. Also egal welchen Song ich irgendwie produziert habe, fange ich immer mit dem Drums. Also, du weißt: Kick, Snare. Aber diesmal habe ich erst mit der Melodie angefangen. So erst dieses, eigentlich erst dieses ganz, dieses Glas-Geklimper, nenne ich es jetzt einfach mal. Damit habe ich angefangen, so diese Main, Haupt, also die Hauptmelodie. Und dann im Anschluss habe ich halt schon gemerkt, okay, ja, doch, das geht so in eine Richtung.

Und dann habe ich angefangen, die Melodie zu kopieren, habe sie invertiert, heißt also rückwärts abgespielt, mit einem anderen Instrument, was ein wenig so nach Japan-Style klingt. Da halt noch Effekte drauf geklatscht, damit es halt ein bisschen voller klingt. Und dann habe ich angefangen, Atmosphäre mit reinzubringen. Und dann, als diese drei Hauptkomponenten so zustande gekommen sind und da schon so einen Raum geschafft wurde, habe ich angefangen den Bass zu machen, halt in der Tonlage zu bleiben.

Der Bass ist auch relativ unspektakulär, weil da halt einfach nur eine fette Sinus-Kurve ist. Die halt einfach nur extrem mit mehreren Stimmen verlagert wurde und ganz am Ende die Drums. Halt eigentlich das, was ich als allererstes mache, habe ich als letztes gemacht.

Und die Drum sind halt sehr, sehr träge. Die gehen halt nicht irgendwie wie so ein schneller Drum-Bass-Song oder sind halt hundertprozentig auf dem Takt, sondern Ich habe extra die Hi-Hats und die Crash, ein wenig verzögert hinter den Takt geschoben, damit es so einen leichten Laidback Groove bekommt und auch alleine die Clap, die ultralaut und hallig ist, die ist halt auch ein wenig versetzt, dass die nach dem Takt kommt.

So und außerhalb der Kick ist eigentlich wenig im Takt, alles ein bisschen bouncy, ein bisschen groovy.

Ja und dann habe ich halt angefangen die ganzen einzelnen Elemente so zu separieren mit Frequenzbändern noch ein bisschen zu bearbeiten, dass da halt ein Aufbau entsteht. Und das war’s.“

Dann klingt es so, wie der Beat am Ende klingt.

Angelo Gaudio:

„Es ist halt jetzt kein klassischer Beat, wo man sagt, oh ja, da kann jetzt jemand drauf singen oder irgendwie drauf rappen oder sowas. Es ist repräsentativ für die Nacht. Einfach aus dem Grund, es ist träge, es ist melancholisch, es lässt viel Freiraum für das, was passiert. Ich hatte die Farbe lila im Kopf, weil für mich persönlich ist lila die Nacht und als ich den Song produziert habe, dachte ich mir so, ja der Song ist lila.“

Fazit: Die Gemeinsamkeiten von Eule und Lerche

So und mit den Klängen verabschieden wir uns jetzt in den Morgen, in die Nacht, keine Ahnung.

Zusammengefasst, wir haben uns jetzt mit Morgenmenschen beschäftigt und mit Nachtmenschen. Ich habe herausgefunden, was den Morgen so besonders macht. Und ich hoffe, es kam auch raus, was die Nacht so geil macht.

Und ganz ehrlich… Ich finde, so unterschiedlich sind die Gründe für die einzelnen Tageszeiten gar nicht, weil beide Gruppen lieben die Ruhe und die Zeit für sich, und beide fühlen sich auf ihre Art produktiver und nutzen ihre Zeit jeweils so, wie es für sie halt am besten passt.

Aber ein Morgenmensch werde ich trotzdem nicht. Einfach, weil ich vom Chronotyp her eine Eule bin, und wie wir gelernt haben, wird sich das auch nicht so schnell ändern.