Kollegengespräch – Ampel-Aus

Am 6. November überschlug sich die politische Lage in Deutschland: Bundeskanzler Olaf Scholz entließ Finanzminister Lindner, was zum Bruch der Ampel-Koalition führte. In diesem Audiobeitrag sprechen Leon Karwath und Philipp Jorde über die Hintergründe dieser Entscheidung, die Reaktionen der Beteiligten und welche Konsequenzen das für die deutsche Politik haben könnte.

Leon: Philipp, ich hatte gestern den ganzen Tag wahnsinnige Kopfschmerzen. Irgendwie hat sich dieser Tag für mich sehr merkwürdig angefühlt. Als würde etwas nicht stimmen. 

Philipp: Gestern kam aber auch einiges zusammen. Erst die US-Wahl, bei der Donald Trump zum Präsidenten wiedergewählt wurde und am Abend kam dann plötzlich die Nachricht, dass Bundeskanzler Olaf Scholz seinen Finanzminister Christian Lindner entlassen hat.

Leon: Ja, da war dann auch schon absehbar, dass das nun das „Aus“ der Ampel bedeuten würde. Ich hab dann sofort den Livestream gestartet und auf die Pressekonferenz von Scholz gewartet. 

Philipp: Das ging dann alles sehr schnell. Eigentlich hatten wir schon zwei Beiträge für diese Sendung fertig produziert. Einerseits haben wir beide uns ja ein Tool angeschaut, das zeigt, was die Ampel in ihrer Regierungszeit konkret geleistet hat. Und ich hatte selbst noch einen Kommentar produziert in dem ich ein bisschen auf die Kernprobleme der Ampel eingegangen bin. Einerseits eben die ständigen Streitereien und auch die Kommunikationsprobleme. Die Beiträge haben sich durch den gestrigen Abend jetzt leider erledigt.

Leon: Nun müssen wir uns mal anschauen, was überhaupt passiert ist und warum Deutschland vermutlich schon im Frühjahr nächsten Jahres eine neue Regierung wählen wird.

Aber fangen wir mal von vorne an – der Bruch der Ampel-Regierung hat sich ja über längere Zeit angebahnt. Seit Monaten stand die Regierung unter Druck. Der große Knackpunkt war die Haushaltspolitik. Am Sonntag schlug dann ein Grundsatzpapier von Lindner wie eine Bombe im politischen Berlin ein. Er fordert darin eine Kehrtwende in der Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Philipp: Das fanden die anderen Parteien wahrscheinlich nicht so prickelnd.

Leon: Genau, Lindner wollte unbedingt an der Schuldenbremse festhalten. Dafür vor allem bei Klima- und Sozialausgaben, wie dem Bürgergeld, sparen. Für SPD und Grüne ein No-Go.

Philipp: Und dann ist die Sache gestern so richtig eskaliert?

Leon: Richtig, Scholz hat Lindner gestern Abend noch einmal die Chance gegeben die Schuldenbremse aufzuheben, darauf ist Lindner aber nicht eingegangen und die Konsequenz für den Bundeskanzler war dann Lindner zu entlassen. In einer Pressekonferenz hat Scholz klar gemacht, dass er Lindners Einstellung nicht mehr tolerieren könne. Er sprach von einem „Vertrauensbruch“. Scholz warf ihm vor, nur für seine Partei und das eigene Klientel zu handeln und dadurch wichtige Kompromisse zu blockieren. Am Ende ging er noch auf die Vertrauensfrage ein, die er erst im Januar dem Bundestag stellen wird. 

Philipp: Was bedeutet denn die Vertrauensfrage? 

Leon: Die ist nötig, damit es Neuwahlen geben kann. Scholz fragt den Bundestag, ob er ihm noch vertraut. Wenn die Mehrheit dann “nein” sagt, kann der Bundespräsident den Bundestag auflösen. Ob er das dann macht oder nicht, kann Frank-Walter Steinmeier innerhalb von 21 Tagen entscheiden. Sollte das eintreten, wird es schon im März 2025 Neuwahlen geben. 

Philipp: Und wie hat der Vizekanzler Habeck darauf reagiert?

Leon: Nun ja, man hat es an Habecks Stimme gehört, dass er enttäuscht war. Er nannte das Ende der Ampel „folgerichtig wie unnötig“. Aus seiner Sicht hätte es Möglichkeiten für eine Einigung gegeben, doch die FDP sei nicht bereit gewesen, auf die Vorschläge einzugehen. 

Philipp: Ich glaub gegen 21.30 Uhr stand Lindner dann selbst vor dem Mikro. Was war seine Sicht der Dinge?

Leon: Lindner warf Scholz vor, den Bruch bewusst herbeigeführt zu haben – er sprach sogar von einem „kalkulierten Koalitionsbruch“. Er hat das Festhalten an der Schuldenbremse verteidigt. Und gesagt, wenn er diese Aufgegeben hätte, hätte er gegen seinen Amtseid verstoßen. 

Philipp: Wow, also ziemlich harte Vorwürfe auf beiden Seiten. Aber was passiert jetzt? Scholz hat ja angekündigt, im Januar die Vertrauensfrage zu stellen.

Leon: Am 15. Januar soll der Bundestag darüber abstimmen. Wenn Scholz diese Frage verliert – was aktuell sehr wahrscheinlich ist – kann der Bundespräsidenten wie gesagt Neuwahlen ansetzen. Bis dahin regiert Scholz mit einer Minderheitsregierung zusammen mit den Grünen weiter. Das bedeutet aber, dass sie für jedes Gesetz auf Unterstützung aus der Opposition angewiesen sind – keine einfache Aufgabe. Politiker:innen von Union, AfD und BSW fordern –  die Vertrauensfrage schon nächste Woche zu stellen! Damit könnten Neuwahlen schon im Januar stattfinden. Aber Scholz hält bis jetzt an seinem Fahrplan fest. Bis Ende Dezember will Scholz Themen durchbringen, die laut ihm nicht aufgeschoben werden dürfen , wie z.B. die Stabilisierung der gesetzlichen Rente und Sofortmaßnahmen für die deutsche Industrie.