Der Ballon d’Or 2024 sorgte für Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten. Rodri von Manchester City setzte sich überraschend gegen den Favoriten Vinícius Júnior durch. Real Madrid boykottierte die diesjährige Wahl zum Weltfußballer des Jahres komplett. Unsere Redakteure Leon und Andi analysieren die spannendsten Momente der Preisverleihung, diskutieren die hitzigen Reaktionen und wagen einen Blick in die Zukunft.
Andi: Der diesjährige Ballon d´Or hat in den letzten Wochen für viel Gesprächsstoff gesorgt – in den Medien und auf dem Fußballfeld. Aber von Anfang an, was ist der Ballon d’Or überhaupt und was ist passiert, Leon?
Leon: : Der Ballon d’Or ist eine jährliche Auszeichnung für den besten Fußballspieler der Welt. Diese Auszeichnung wird von der französischen Zeitschrift France Football verliehen, und eine internationale Jury aus Journalisten entscheidet, welcher Spieler in der vergangenen Saison die besten Leistungen gezeigt hat. Vor Wochen hatte die spanische Zeitung „Marca“ schon gesagt, dass Real Madrid-Spieler Vinicius Jr. sicher den Ballon d’Or gewinnen würde. Deshalb war man sich eigentlich bis zum Tag der Preisverleihung sicher, dass auch Vini gewinnen würde. Dass dann aber überraschenderweise Rodri von Manchester City gewann, war nicht zu erwarten.
Andi: Und was war die Reaktion darauf?
Leon: Die war erstmal groß! Zum Beispiel zeigte der ehemalige Real Spieler Toni Kroos und sein aktueller Teamkollege Eduardo Camavinga in ihren Posts, dass sie finden, Vini hätte den Ballon d’Or gewinnen sollen. Kroos kritisierte außerdem den Wert des Preises und sagte, er finde individuelle Auszeichnungen im Fußball übertrieben und unnötig. In den sozialen Medien haben sich viele darüber gefreut, dass es nicht der Real Madrid-Spieler Viní geworden ist. Aber es haben sich auch viele gewundert, dass Rodri gewonnen hat, was viele Diskussion unter den Fans ausgelöst hat. Das war schon eine einmalige Sache, die es nicht so oft gegeben hat.
Andi: Dass sich die Medienberichte überschlagen, ist auch voll verständlich, wenn die Fußballfans und die Medien alle erwartet haben, dass Vini gewinnt und am Ende alles anders kommt. Aber jetzt mal ganz konkret und direkt gefragt, war Rodri die richtige Entscheidung oder hätte der Preis tatsächlich an Vini gehen sollen?
Leon: Nach den Kriterien der Preisverleihung, hat Rodri sich den Ballon d’Or verdient! Dazu gehören die individuelle Leistung, Erfolg mit der Mannschaft und Fairplay – als vielseitiger Spielgestalter hatte er großen Einfluss auf Manchester City und die spanische Nationalmannschaft und wurde nicht umsonst zum besten Spieler der Euro 2024 gewählt.
Andi: Interessant, dass du die sportlichen Leistungen so in den Vordergrund stellst. Inwieweit haben die Persönlichkeiten der beiden die Entscheidung der Journalisten und Fußballer beeinflusst?
Leon: Ich würde sagen, dass Vini sportlich gesehen der beste Flügelspieler der Welt ist und einen großen Einfluss hat. Aber er wird als Spieler nicht so respektiert wie ein Messi oder Ronaldo. Das liegt ganz klar an seinem Verhalten: Er beschwert sich oft, macht viel Theater und provoziert gerne. Ein Beispiel: Nach einem Tor versuchte er, die Fans vom Athletic Club mit einer „Ruhe“-Geste zum Schweigen zu bringen und heizte damit die Stimmung weiter an. Solche Aktionen haben seinem Image geschadet. Im Vergleich dazu ist Rodri genau das Gegenteil: Er ist bodenständig geblieben, hat nie viel Geld für teure Autos ausgegeben. Zum Beispiel besitzt er heute noch einen alten Opel Corsa. Während er seine ersten Spiele als Profi bei Villareal absolvierte, wohnte er noch in einem Studentenwohnheim, um sein BWL-Studium abzuschließen. Einen Social-Media-Account hat er bis heute auch nicht. Das macht ihn den Fans gegenüber sympathisch. Hätte Vini eine Persönlichkeit wie Rodri, hätte ihm das bestimmt geholfen.
Andi: Wie er, ist auch sein Verein, Real Madrid, nicht immer gut angesehen. Wegen vieler Spiele, die sie vielleicht nicht verdient gewonnen haben, durch viele Fehlentscheidungen der Schiedsrichter, wie zum Beispiel gegen die Bayern im Halbfinale der Champions League. Und auch jetzt kommt das Team nicht gut weg: Real hat die nämlich Preisverleihung boykottiert. Dabei sind 50 Leute einfach nicht erschienen – ist das gerechtfertigt?
Leon: Natürlich verstehe ich, dass sie sauer waren, dass Vini nicht gewonnen hat, aber wenn man sich die ganze Preisverleihung anschaut, ist das unverständlich. Also allein bei der Weltfußballerwahl: Platz Nummer 2 Vini, Platz Nummer 3 ist Jude Bellingham und Platz Nummer 4 ist Carvajal. Auf Rodri folgen erst einmal nur Spieler von Real Madrid. Auch die Mannschaft des Jahres ist Real Madrid geworden. Klar haben sie die Champions League gewonnen, aber wenn man neutral gucken würde, hätte das genauso gut Bayer Leverkusen sein können, die bis auf ein Spiel eine komplette Saison ungeschlagen geblieben sind. Auch der Trainer des Jahres, Carlo Ancelotti, kommt von Real Madrid. Ein Xabi Alonso, Trainer von Bayer Leverkusen, hätte es genauso verdient. Außerdem hätte es in meinen Augen auch ein Gasperini von Atalanta Bergamo verdient, der bei den Bergamasken seit Jahren hervorragende Arbeit leistet und in diesem Jahr mit dem Gewinn der Europa League noch gekrönt hat. Aber man hat sich für einen von Real Madrid entschieden. Und doch waren Leverkusen und Atalanta bei der Preisverleihung anwesend. Dass die Madrilenen dann die ganze Veranstaltung boykottieren, finde ich fragwürdig.
Andi: Die ganze Sache komplex und auch etwas kontrovers. Apropos Kontroversen – Vini hat sich ja auch nach der Verleihung zu Wort gemeldet: „Ich werde es zehnmal machen, wenn ich muss. Sie sind nicht bereit“, diese eher zynische Botschaft postete der brasilianische Nationalspieler auf der Plattform X, kurz nachdem Rodri zum besten Spieler der Welt gewählt wurde. Das ist ja schon eine deutliche Aussage. Hat Vinicius Junior in den kommenden Jahren realistische Chancen, den Ballon d’Or zu gewinnen?
Leon: Ich kann Vini verstehen, denn er wird sich wahrscheinlich fragen, was er noch tun muss, um den Ballon d’Or zu gewinnen. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass er in den nächsten Jahren, wenn er seine Mentalität in den Griff bekommt, sicher eines Tages den Ballon d’Or gewinnen wird. Denn rein sportlich gehört er zweifellos zu den besten der Welt.