Laut, schnell und traditionsreich – Irish Dance

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Es klingt wie ein Gewitter aus Schritten, sieht streng aus und verlangt höchste Körperbeherrschung: Irish Dance ist ein nischiger Tanzstil, der fasziniert. Doch was steckt dahinter? Wie tanzt man mit stillstehenden Armen und warum? Luca und Leoni haben die Tanzgruppe “Celtic Rainbows“ in Neumarkt in der Oberpfalz besucht, mitgetanzt und herausgefunden, warum dieser Tanz weltweit begeistert – und auch bei uns Potential hat.

Deidre: Es ist laut. Ist es. Es ist optisch auch laut und es ist schnell.

ST: Glitzernde Outfits, riesige Frisuren und schnelles Klacken – Irish Dance ist LAUT. Aber warum ist es in Deutschland nicht wirklich bekannt? Und was macht diese Tanzart aus? Um das herauszufinden, fahren wir die “Celtic Rainbows” bei ihrem Training. Tänzerin Deidre holt uns am Eingang der Tanzschule ab.

(Tür Atmo)

Luca und Leoni: Hallo! Ich bin Leoni…Hallo…

Luca: Wir freuen uns, dass es geklappt hat!

Deirdre: Ich freu mich auch, ihr könnt gerne einfach reinkommen!

Luca: Wie sollen wirs machen, sollen wir uns Sportsachen schonmal anziehen?

Deirdre: Du wirst auf jeden Fall viel schwitzen, wenn du die lange Hose anhast.

Luca: Oh, gut, dass ich keine kurze dabei hab.

Deirdre: Oh okay, naja das werdet ihr dann schon sehen…

ST: Frauen und Kinder verschiedenen Alters sitzen hier auf Sitzbänken, die den großen Eingangsbereich umranden. Die Stimmung ist gut, der Umgang miteinander wirkt fast schon familiär. Der Verein probt hier heute den ganzen Samstag, in verschiedenen Konstellationen. Doch bevor es mit dem Steppen losgehen kann, steht ein gemeinsames Warm-up an.

Luca: Können wir da auch mitmachen?

Deirdre: Müsst ihr! 

Leoni und Luca: Ohje!

Musik fängt an, O-Ton Leoni: Na, wenn das mal nicht Ed Sheeran ist! (Ed Sheeran fängt an zu singen) 

Luca: Koordinativ ne Herausforderung, diverse Schritte und Kicks

Luca: Also Warm-Up war auf jeden Fall schon mal sehr viel Gehüpfe! Und ich bin auf jeden Fall warm.

Leoni: Ich auch, ich bin jetzt schon rot wie ne Tomate.

ST: Bevor Deirdre uns Schritte beibringt, dürfen wir jetzt erstmal zuschauen. An die zwanzig Tänzerinnen hüpfen mit durchgestreckten Beinen und sehr aufrechter Haltung kreuz und quer durch den Raum. Die Arme bleiben dabei seitlich an den Körper gedrückt. Eine fixe Choreo können wir nicht wirklich erkennen.

Deirdre: Das war jetzt gerade bei dem Durchlauf auch eine sehr realistische Situation: Zwei Tänzerinnen, die unterschiedliche Choreos haben, aber gleichzeitig tanzen. Das ist beim Wettkampf halt auch so. Da tanzt man zu zweit oder auch zu dritt. Und wenn halt jemand im Weg ist, muss man da irgendwie charmant drumrum tanzen. Manchmal klappt’s halt nicht. Es gab auch schon Kollisionen.

ST: Was für uns chaotisch und willkürlich erscheint, ist so ziemlich das Gegenteil. Alles verfolgt einen bestimmten Plan oder eine Regel. Dass dieser Tanz teilweise so streng wirkt, hat auch seinen Hintergrund. Das erzählt uns Deirdre, die selbst irische Wurzeln hat:

Deidre: Meine Familie gehört schon zu der Familie, die unterdrückt wurde, also die im Krieg auch aufgewachsen ist – der Befreiungskrieg von den Händen von England – Irish Dance hat sich da entwickelt, halt auch viel in den Gefängnissen. Und ist dadurch auch so aufrecht und streng geworden. Das hat eine riesen Geschichte, die ich sehr spüre oder sehr gerne spüre, wenn ich auf der Bühne bin.

ST: Wie viele Regeln hinter der Sportart stecken, merken wir spätestens, als Deirdre uns ein paar Grundschritte zeigt:

Leoni: Wir verlassen jetzt den Tanzsaal, wo die anderen trainieren und gehen runter in unseren privaten Tanzsaal. Kann man das so sagen?

Deidre: In eure ganz persönliche Hölle

Leoni: Oh oh.

ST: Der Tanzsaal ist ein Klassenzimmer-großer Raum mit verspiegelten Wänden. Bevor wir mit dem Tanzen starten, macht uns Deidre mit den Grundschritten vertraut. Irish Dance besteht aus vielen Grundschritten, die für eine Choreo aneinandergereiht werden. Zwischendurch folgen ausgefallenere Figuren, wie hohe Luftsprünge oder Drehungen. Je nach Musik wird in verschiedene Tänze unterschieden, wie Jig oder Real. Diese Tanzarten können dann sowohl alleine, als auch im Team getanzt werden.

ST: Uns wird schnell klar: der Tanz mag einfach aussehen, aber es gibt viel zu beachten, angefangen bei der Haltung:

Leoni: Deidre und Luca haben sich jetzt vor dem Spiegel nebeneinander aufgestellt und der Start sieht wirklich immer aus wie eine Ballethaltung, finde ich.

Deidre: Ja, das ist so die Grundhaltung. Also man dreht nach außen raus und überkreuzt. Das wird mitbewertet, wie sehr man überkreuzt. Du nimmst den rechten Fuß nach vorne, nimmst ihn hoch und springst auf ihn drauf. Genau! Und dann nimmst du den Fuß, der hinten ist und machst einen Schritt und ziehst nach. Also Jump Schritt Schritt.

ST: Wir lernen, dass die Fersen den Boden kaum bis gar nicht berühren. Die TänzerInnen stehen fast ausschließlich auf den Fußballen und Fußspitzen. Der Oberkörper bleibt dabei statisch und die Arme eng am Körper steif herunter. 

Luca’s Fazit: Es ist koordinativ schon eine Herausforderung. Wird auf jeden Fall zu Muskelkater führen, wahrscheinlich.

Deidre: Sehr gut. Wenn wir es jetzt doppelt so schnell machen, dann ist das Tempo richtig.

Luca: Kein Problem.

Atmo Deirdre tanzt, Musik geht an

Leoni: “Oh ja, das klingt doch gut.”

Deidre: Ich zeig dir jetzt mal den ganzen Real, einfach zum Zugucken.

 Luca: Okay, das ist deutlich schneller. (Lachen)

Leoni: Es geht nach vorne, zur Seite, im Kreis.

Luca: Mein Auge kann das gar nicht so schnell erfassen.

Leoni: Meines auch nicht.

ST: Wie man schnell Strecke zurücklegen kann, lerne ich bei den Skips.

Leoni: Was kann ich mir denn grundlegend unter Skips vorstellen?

Deidre: Hopserlauf.

Luca: Deirdre fliegt durch den Raum. Also mit vier Schritten soll man so einen Raum – wie viel Meter sind das – schon so mindestens zehn. Also man muss recht große Schritte machen.

Leoni: Es macht Spaß!

Deidre: Es macht echt Spaß.

ST: Mit unserer ersten Irish Dance Stunde sind wir erstmal zufrieden. Während wir sockig trainiert haben, hört man aus dem anderen Tanzsaal Schuhe klackern.

Atmo Klackergeräusche

ST: Alle Tänzerinnen tragen Absatzschuhe. Die lauten Geräusche entstehen sowohl durch das Steppen auf den Boden als auch durch das Aneinanderschlagen der Fersen. Der Rhythmus spielt bei Irish Dance eine entscheidende Rolle. Kursleiterin Jule Behrendt bestätigt uns das:

Jule: Wenn ich jetzt Ballett tanze zum Beispiel, bewege ich mich ja auch im Rhythmus, aber dann ist die Musik irgendwie ihr Teil und ich gebe meinen Teil dazu. Und beim Steppen verschmilzt halt die Musik, als wäre ich das Schlagzeug irgendwie.

Luca: Zählt man dann im Kopf auch die ganze Zeit mit?

Deidre: Je nachdem was es für ein Tanz ist. Bei meinem einen Jig ist es „stand up, one two three and…!!

Luca: Das läuft die ganze Zeit in deinem Kopf?

Deidre: Die Schritte halt, ja

Atmo Klackergeräusche

ST: Takt, Schrittfolgen und Ausführung müssen strikt befolgt werden, um bei Wettkämpfen zu punkten. Auch der Dresscode ist festgelegt. Er ist zwar nicht mehr ganz so streng, wie er früher einmal war – aber grundsätzlich ist das traditionelle Kostüm bis heute geblieben. 

Deidre: Traditionell hat man ein sehr kurzes ja, ich würde sagen, sehr puppenhaftes Kleid an, mit ganz ganz viel Glitzer. Die Schultern müssen bedeckt sein, die Ärmel müssen lang sein und die Kürze ist auch festgelegt. Die meisten haben dann auch noch so eine Dutt-Perücke und so eine Krone auf und ganz komisches Make-up. Ganz viel Rouge, lange Wimpern. Es ist sehr glamourös und die Kleider sind auch tatsächlich sehr teuer. Man ist schon mit ein paar 1.000 Euro dabei.

ST: Diese teuren Kleider sind kein Muss. Ebenso wenig wie die Teilnahme an Wettkämpfen. Wir haben jedoch festgestellt: Die meisten TänzerInnen sind sehr ehrgeizig und trainieren deshalb mehrmals die Woche fleißig für die Wettbewerbe. Kompetitiv sind die allerdings eher weniger. 

Jule Berendt: Wir versuchen immer allen zu vermitteln, dass wenn man sich gegenseitig hilft, dass man dann eben zusammen viel weiter kommt. Also die meisten sind nicht nur zum Tanzen da, sondern haben sich halt auch als Freunde gefunden und unterstützen sich auch außerhalb vom Training viel. 

ST: Der Austausch geht dabei auch über Ländergrenzen hinaus. Das merkt man auch daran, dass die Kurssprache häufig englisch ist. 

Jule Behrendt: Also was wir immer versuchen, ist mit Leuten aus dem Ausland zum Beispiel Workshops zu veranstalten. Wir haben regelmäßig jemanden aus Irland da und auch immer wieder Leute von anderswo, damit uns Tänzer verknüpft sind und auch Input von Leuten aus anderen Ländern bekommen. 

ST: Wir haben genug Input für heute. Glücklich, aber erschöpft, machen wir uns auf den Heimweg.

Luca: Also ich muss sagen, ich hatte echt extrem viel Spaß. Ich hab auch nicht gedacht, also wir haben jetzt natürlich nur so die Basic Schritte beigebracht bekommen, aber, dass es so schnell auch ganz gut aussieht oder so funktioniert.

Leoni: Und was ich auch echt toll fand, so dieses Gemeinschaftsgefühl, was da rüberkam. Also das war überhaupt nicht kompetitiv eigentlich das Ganze, sondern wirklich gemeinschaftlich.