Wir alle kennen sie: Konflikte im Alltag, mit Partner*in oder mit Kolleg*innen. Was wäre, wenn man diese Konflikte nicht als Bedrohung sieht – sondern als Chance für Entwicklung? Konflikte sind unvermeidlich, doch wie man sie löst, macht den Unterschied. Unser Autor Jakob hat sich in diesem Beitrag damit beschäftigt, wie Mediation, gewaltfreie Kommunikation und systemische Gesprächsführung helfen können, respektvoll Lösungen zu finden – statt zu eskalieren.
Jakob: Ein schnippischer Ton, eine unbedachte Bemerkung – und schon ist man mittendrin im Konflikt. Die Fronten verhärten sich, keiner will nachgeben. Was im Kleinen passiert, erinnert oft an das Große: Auch zwischen Staaten kommt es zu Spannungen, Missverständnissen, Eskalationen. Diplomatie versucht hier, mit Worten Brücken zu bauen – durch Verstehen, Abwägen, Deeskalation. Dr. Kerstin Eppert, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der ConflictA der Universität Bielefeld, beschäftigt sich mit internationaler Konfliktbearbeitung – und zeigt, warum auch dort die zwischenmenschliche Ebene entscheidend ist.
Dr. Kerstin Eppert: „Diplomatie ist im Prinzip der Kommunikationskanal, der zwischen Staaten aufgemacht wird. Staaten sind ja erstmal sehr abstrakte Gebilde von Funktionären und Institutionen. Und Institutionen können erstmal nicht miteinander sprechen, es sei denn, sie etablieren Arbeitsprozesse. Die Offenheit und die persönliche Ebene bestimmt natürlich sehr stark, ob diplomatische Gespräche überhaupt gelingen können. Wenn die nicht da ist, dann wird es schwierig. Also es istwirklich der Knackpunkt für Diplomatie, ist genau diese zwischenmenschliche Ebene, weil die immer mitschwingt.“
Jakob: Ein Beispiel für eine Strategie zur Konfliktlösung ist die gewaltfreie Kommunikation, kurz GFK. Sie wurde vom amerikanischen Psychologen Marshall Rosenberg entwickelt. Die Methode folgt vier Schritten: Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis, Bitte. Isabella Bauer, ebenfalls wissenschaftliche Mitarbeiterin an der ConflictA der Universität Bielefeld, arbeitet regelmäßig mit diesem Ansatz.
Isabella Bauer: „GfK bringt vor allen Dingen Klarheit in Bedürfnisse und Gefühle. Ein Grundgedanke von der gewaltfreien Kommunikation ist, auf Grundlage menschlicher Bedürfnisse zu kommunizieren und die Verantwortung für die eigenen Gefühle zu übernehmen. Also wenn ich ein negatives Gefühl habe, dann steht dahinter ein unbefriedigtes Bedürfnis. Und das erstmal für mich zu klären und dann zu sagen: Aha, ich habe nämlich dieses Bedürfnis, und ich wünsche mir von dir, dass du dem auf die und die Art entsprichst.“
Jakob: Konflikte gibt es überall – im Alltag, im Beruf, in der Politik. Doch während manche eskalieren, lassen sich andere erstaunlich gut lösen. Eine der wichtigsten Strategien dabei ist aktives Zuhören. Wer sich wirklich gehört fühlt, ist eher bereit, auf den anderen einzugehen. Doch genau das fällt uns oft schwer – gerade wenn es brenzlig wird. Das hat auch was mit Stress zu tun.
Isabella Bauer: „Es ist ein Teil unseres Verhaltens in Konflikten, dass wir ab einer bestimmten Eskalation, ab einer bestimmten Verschärfung des Konflikts, nicht mehr zuhören können. Das liegt an unserer biologischen Programmierung. Ein Konflikt ist auch immer Stress. Es ist immer eine Gefahr, die wir verspüren. Und wenn wir eine Gefahr verspüren, da wird unsere Wahrnehmung eng. Da kommen wir in so eine Art Schacht, in so einen Tunnel. Und dann kriegen wir immer weniger mit, kriegen auch nur noch uns selber mit. Die andere Seite nehmen wir auch nicht mehr differenziert auf.“
Jakob: Wenn Gespräche festgefahren sind, hilft oft ein neutraler Dritter: Mediation. Dabei moderiert eine außenstehende Person das Gespräch – strukturiert, wertfrei, mit Blick auf Lösungen. Besonders im Job, bei Teamkonflikten oder familiären Spannungen kann das Wunder wirken. Wichtig: Der Mediator entscheidet nichts – die Lösung kommt von den Beteiligten selbst.
Isabella Bauer: „Mediation ist sinnvoll, wenn sich die Parteien nicht mehr zuhören können. Wenn die Parteien nicht mehr in der Lage sind, sich in die andere Seite hineinzuversetzen – also einen Perspektivwechsel zu vollziehen – nicht mehr in der Lage sind, die andere Seite tatsächlich zu hören und wahrzunehmen, welche Interessen und welche Bedürfnisse auf der anderen Seite vorhanden sind. Eine Grundfunktion der Mediatorin oder des Mediators ist, die Empathie der Seiten füreinander wiederherzustellen.“
Jakob: Ob im Wohnzimmer oder im Konferenzraum: Konflikte verschwinden nicht von selbst. Aber wer fragt, statt zu urteilen, und zuhört, statt zu unterbrechen, kann selbst festgefahrene Situationen aus dem Weg räumen. Denn Konflikte lassen sich nicht vermeiden – aber mit den richtigen Strategien sehr wohl lösen.