SV Weinberg und der Frauenfußball

Der SV Weinberg ist abgestiegen – sportlich bitter, doch auch Anlass für eine Bestandsaufnahme: Warum ist der Unterschied zwischen Frauen- und Männerfußball nach wie vor so groß? Unser Radiobeitrag wirft einen Blick zurück auf die bewegte Geschichte des Frauenfußballs, beleuchtet aktuelle Ungleichheiten bei Gehältern, Preisgeldern und öffentlicher Wahrnehmung – sind trotz aller Herausforderungen auch Fortschritte spürbar?

Philipp: Der nach Einwohnerzahlen der entsprechenden Stadt kleinste Fußball-Bundesligist kommt aus dem Landkreis Ansbach – der SV 67 Weinberg. Weniger als 1.000 Einwohner hat der zu Aurach gehörende Gemeindeteil Weinberg. Das Frauen-Team des Vereins spielt aktuell noch in der 2. -Bundesliga. Am vergangenen Sonntag hatten die Weinbergerinnen ihren vorerst letzten Zweiliga-Einsatz. Denn: Der SV Weinberg ist abgestiegen. Kapitänin Annika Kömm spielt schon seit 17 Jahren für den Verein.

Annika Kömm: Ja, ich bin enttäuscht, würde ich sagen. Es ist einfach traurig, es ist schade, weil wir einfach so lange so gut mitgehalten haben, sehr lange überm Strich standen und es jetzt letztendlich einfach nicht gepackt haben. Wir wussten vor der Saison, dass es sehr schwer wird. Wenn ich vor der Saison gewusst hätte, oder mir jemand gesagt hätte, 20 Punkte, wir holen mehr als 20 Punkte, hätte ich sofort unterschrieben. Jetzt im Nachhinein ist es traurig, weil einfach mehr drin gewesen wäre.

Philipp: Ein sportlicher Rückschlag. Aber auch ein Moment, um Bilanz zu ziehen – über den Zustand und die Bedeutung des Frauenfußballs in Deutschland. 

Statt Leistung und Wettkampf standen im Frauensport lange Zeit vor allem Anmut und Schönheit im Vordergrund. Fußball – oft als rau und wenig elegant angesehen – stieß selbst bei vielen Frauen auf Ablehnung. Und doch gründete sich 1930 in Frankfurt der erste Frauenfußballklub. Mangels anderer Teams trat er gegen Männermannschaften an. Nach anhaltender Kritik und Protesten löste sich der Verein jedoch bereits ein Jahr später wieder auf. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden Frauen immer mehr in klassische Rollen zurückgedrängt. Ein Jahr nach dem ersten Weltmeister-Titel der deutschen Fußball-Herren 1954, verbot der Deutsche Fußball-Bund Frauen das organisierte Spielen im Verein. „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand“. Das schrieb damals der DFB zur Begründung. 

Aber auch Verbote konnten die fußballbegeisterten Frauen nicht aufhalten. In den 1960er-Jahren entstanden im Süden und Westen Deutschlands Vereine und Verbände. Je beliebter Frauenfußball in Deutschland wurde, desto unbeliebter machte sich der DFB mit seinem Vereinsverbot. Und 1970 hatte der Deutsche Fußball-Bund schließlich ein Einsehen – er kippte sein Verbot. Heute gewinnt Frauenfußball immer mehr an Aufmerksamkeit, auch wenn er deutlich weniger populär ist  als das männliche Pendant. Annika Kömm:

Annika Kömm: Die Entwicklung geht auch da in die richtige Richtung. Auch bei den Schülerinnen im Sportunterricht zum Beispiel fällt es auf. Ich weiß nicht, ob da vor zehn Jahren die so viele Frauenfußballerinnen hätten nennen können. Und jetzt haben wir erst eine Unterrichtseinheit gehabt zum Fußball und dann kennen die auch die Spielerinnen. Und das ist schon eine coole Entwicklung.

Philipp: Finanziell hinkt der Frauenfußball dem Männerfußball weiter hinterher. Prominentes Beispiel: die Sache mit dem Kaffeeservice. Denn als Deutschlands Fußballerinnen 1989 Europameisterinnen wurden, gab es zur Belohnung nicht etwa Geld, sondern eben… Porzellan. Ein Signal: Leistung ja, aber bitte im Rahmen traditioneller Rollenbilder. Heute gibt es auch für die Frauen Preisgelder. Im Juli startet die Europameisterschaft der Frauen. Sollte Deutschland den Titel gewinnen, erhält jede Spielerin 120.000 Euro. Die Männer hätten für einen EM-Sieg 2024 im eigenen Land mehr als das Dreifache bekommen. Allerdings wird im Männerfußball auch mehr Geld von der UEFA ausgeschüttet. Acht Millionen gab es 2024 für den Europameister der Männer, nur knapp zwei Millionen sind es 2025 für den Europameister der Frauen. Dass auch die Gehälter in den Ligen im Männerfußball höher sind, kann Kömm teilweise verstehen.

Annika Kömm: Ja, das ist auch nicht mehr normal zum Teil. Also das ist schon verrückt, was da für Geld fließt. Aber es ist halt irgendwie klar, das Geld wird mit dem Männerfußball generiert. Der Männerfußball hat einfach eine viel größere Bühne, also eine viel größere Präsenz. Da hat man einen Einblick. Da bekommt man auch so was mit, wenn man sich nicht für Fußball interessiert. Im Frauenfußball ist das einfach nicht so. Viele wissen ja einfach gar nicht, wer in den Ligen überhaupt spielt. Und dann wird natürlich immer gleich irgendwie der Rückschluss auf den Männerfußball gezogen, wenn man da was vom Frauenfußball hört oder auch von den Ligen hört, zum Beispiel. Dann wird dann natürlich automatisch was mit assoziiert, wie hohe Gehälter zum Beispiel, was halt einfach nicht der Fall ist.

Philipp: In Weinberg bekommen die Spielerinnen kein Geld. Auch die öffentliche Wahrnehmung von Männer- und Frauenfußball ist eine andere. Während es in der Saison 2023/2024 insgesamt knapp 400.000 Zuschauer in die Stadien der Frauen-Bundesliga zog, waren es in der 1. Bundesliga der Männer über 12 Millionen. Trotz dieser großen Differenz: Der Frauen-Fußball gewinnt an Popularität. Das diesjährige Pokal-Halbfinale der Frauen zwischen dem Hamburger SV und Werder Bremen sahen 57.000 Zuschauer live im Stadion.

Annika Kömm: Ich würde sagen, die Entwicklung geht in die richtige Richtung. Ich würde mir allerdings wünschen, dass es nicht so wird wie bei den Männern, dass es so super kommerziell wird, sondern dass halt einfach trotzdem noch der Spaß am Fußball bestehen bleibt. Und das ist bei uns eigentlich halt sehr cool, weil wir es wirklich als Hobby machen und freizeitmäßig machen und wirklich mit Herzblut machen. Und das würde ich mir schon wünschen, dass das beim Frauenfußball erhalten bleibt.

Philipp: Der Frauenfußball hat einen langen Weg hinter sich – und noch einen weiten vor sich. Die Kluft zu den Männern ist groß: finanziell und gesellschaftlich. Doch das Interesse wächst – das hat unter anderem das Pokal-Halbfinale vor fast 60.000 Zuschauern gezeigt. Aber die Frage bleibt: Existieren die niedrigen Gehälter aufgrund der wirtschaftlichen Bedingungen – oder sind sie ein Ausdruck struktureller Ungleichheit? Sicher ist: Der Ball ist rund und ein Spiel dauert 90 Minuten. Für Männer und Frauen.