Die Gesichter der Depression

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Die Depression ist eine der häufigsten psychischen Erkrankungen weltweit. Laut verschiedener Studien ist jeder fünfte bis sechste Erwachsene irgendwann in seinem Leben von einer Depression betroffen. Dennoch werden viele Betroffene nicht diagnostiziert. Was viele nicht wissen: Eine Depression kann sich auf viele verschiedene Arten zeigen.

Sprechertext: Gedrückte Stimmung, Traurigkeit, Verlust der Freude. Man entzieht sich aus sozialen Situationen, hat keinen Spaß mehr an seinen Hobbys und lacht nicht mehr über die Witze seiner Freunde. Mit diesen Symptomen verbinden die meisten Menschen wahrscheinlich den Begriff „Depression“. Das Krankheitsbild einer Depression kann allerdings auch ganz anders aussehen. Birte Johnen ist Psychologin in der Klinik für Psychiatrie des Bezirksklinikums Ansbach. Sie erklärt, welche Symptome einer Depression eher unbekannt sind.

Birte Johnen: Ich glaube, was den meisten Menschen nicht so bekannt ist, ist, dass es zum Beispiel dieses frühmorgendliche Erwachen gibt. Das heißt, dass Menschen aufgrund dessen, dass sie so viel im Kopf haben und mit so viel beschäftigt sind und die ganze Zeit diesen Anspruch an sich haben, zu funktionieren, dann morgens sehr früh wach werden und dann auch nicht mehr einschlafen können, weil sie schon über den ganzen Tag nachdenken, was sie alles vorhaben, was sie noch tun müssen. Was auch nicht so bekannt ist, sind geringe Selbstwertgedanken oder Selbstzweifel. Das heißt, dass ich in vielen Situationen über meine Fehler nicht so gut hinwegsehen kann, sondern mich dafür vielleicht noch mal eher kritisiere.

Sprechertext: Diese atypischen Depressionen sind Unterformen der Erkrankung. Man kann sie nicht so leicht identifizieren, weil sie sich ganz anders äußern als eine typische Depression. Eine dieser atypischen Subformen ist die sogenannte agitierte Depression.

Birte Johnen: Man ist die ganze Zeit getrieben, man hat Ängste, man weiß nicht, wohin mit sich. Man hat vielleicht Luftnöte und Herzrasen, man hat einen ständigen Bewegungsdrang, ist hektisch. Und das kennt man von der klassischen Depression eben auch nicht.

Sprechertext: Anderen Betroffenen sieht man die Depression überhaupt nicht an: Sie gehen zur Arbeit, machen ihre Uni-Aufgaben und treffen sich mit Freunden. Diese Form nennt sich hochfunktionale Depression. Sie ist für Außenstehende besonders schwer zu erkennen. Ganz anders ist das zum Beispiel bei der sogenannten lavierten Depression – denn da zeigen sich die Symptome vor allem körperlich.

Birte Johnen: Das heißt, man kann zwar von der Stimmung her immer noch eine relativ ausgeglichene bzw. schwingende Stimmung haben, gleichzeitig aber totale Kopf- oder Rückenschmerzen oder Verdauungsprobleme, Herzkreislaufsymptome, eine reduzierte Libido, Schwindel, Gliederbeschwerden, vielleicht sogar ein Tinnitus haben.

Sprechertext: Was ebenfalls viele Leute nicht wissen: Es gibt starke geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Symptomen. Frauen verlagern ihre Symptome oftmals erstmal nach innen. Das drückt sich zum Beispiel durch Traurigkeit aus, durch Schuldgefühle oder Erschöpfung. Man nennt dieses Verhalten „internalisieren“. Bei den Männern ist es umgekehrt. Sie zeigen ihre Gefühle eher durch Wut, Aggression, Risikobereitschaft und auch durch Substanzmissbrauch.

Diese untypischen Symptome führen unter anderem dazu, dass Männern nur halb so oft eine Diagnose erhalten wie Frauen. So würde man zum Beispiel den Drogenkonsum bei einem Mann eher einer Suchterkrankung zuweisen, statt einer Depression. Durch Scham- und Schwächegefühle kommt es bei Männern oft zu einer „leisen“ Depression, von der Außenstehende gar nichts mitbekommen. Männer suchen außerdem seltener Hilfe als Frauen. Dadurch bekommen sie auch weniger Hilfe und die Suizidrate ist bei ihnen deutlich höher. Laut statistischem Bundesamt wurden rund 75 Prozent aller Suizide in Deutschland von Männern begangen.

Wenn ich bemerke, dass eine Person in meinem Umfeld diese eher untypischen Symptome einer Depression aufweist, gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie ich helfen kann.

Birte Johnen: Also ganz wichtig ist erstmal, die Person überhaupt zu fragen, wie es ihr geht und was sie gerade für Bedürfnisse hat. Und diese Bedürfnisse auch zu validieren und da sein zu lassen. Gleichzeitig, was man machen kann, ist, dass man Informationen über atypische Depressionen teilt. Das heißt zu sagen, hey, ich habe da mal was gelesen, ich habe da mal was gehört. Guck dir doch das mal an, vielleicht findest du dich ja wieder.

Sprechertext: Wenn ihr Unterstützung, Beratung oder Hilfe braucht, könnt ihr euch jederzeit, kostenlos und anonym an die Telefonseelsorge wenden. Kontaktmöglichkeiten findet ihr unter telefonseelsorge.de oder direkt unter der Telefonnummer 0800-1110111.

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