Retro Rabbit: Das Todesgeschäft

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Mit Retro Rabbit nehmen wir euch mit auf eine Reise zurück in unsere Archivschätze – die besten Beiträge, Interviews und Highlights aus der Vergangenheit, neu entdeckt für heute!

Wie ist es, täglich mit dem Tod zu arbeiten? In diesem Radiofeature begleiten wir Bestatter, Rechtsmedizinerinnen und Tatortreiniger bei ihrer außergewöhnlichen Arbeit. Sie berichten von Routine, Würde und den Herausforderungen, die dieser Beruf mit sich bringt – von der Pflege Verstorbener über die Spurensuche am Sektionstisch bis hin zur Reinigung nach tragischen Ereignissen.

Dieser Beitrag behandelt Themen wie Tod, Obduktionen und Tatortreinigung, die detailliert beschrieben werden. Die Inhalte können verstörend wirken und emotionale Belastung auslösen. Bitte hören Sie nur weiter, wenn Sie sich dafür bereit fühlen.

Michael Barth (Bestatter): Weil ich mir da keine Gedanken darüber mach, warum sich derjenige jetzt umgebracht hat, aufgehängt oder was auch immer oder vor den Zug geschmissen oder auf die Autobahn gerannt ist. Ja, du bist jetzt derjenige der ihn holt und es ist deine Aufgabe ihn zu holen und des macht man.

Christian Kölbl (Tatortreiniger): Ja, man stumpft auf jeden Fall ab, also man ist nicht mehr so emotional, sondern man stumpft einfach richtig ab, durch den Beruf.

Juliane Glas (Rechtsmedizinerin): Man muss dann sich dem auch im Klaren sein, dass man sich naja, schon am Rand der Gesellschaft befindet. Also, man hat nicht mit schönen Dingen zu tun. Man sieht die schlechten Seiten der Gesellschaft und das in ziemlich geballter Form.

Musik: „Lost“ von Frametraxx

Felix Futschik (Sprecher/Erzähler): Das Todesgeschäft – arbeiten und leben mit dem Tod. Ein Radiofeature von Ronja Straub.

(Atmo aus dem Kühlraum, das Rauschen des Kühlers.)

Erzähler: Keller der Clinic Neudettelsau. Todeszeitpunkt: 1.38 Uhr.

Bestatter Michael Barth macht die Klappe der Kühlbox auf und zieht die Trage heraus. Er schiebt die Tote in die Mitte des Raumes. Ihre Fingernägel sind lila angelaufen, das Gesicht ist eingefallen und blass.

Bestatter: Sie wird jetzt von uns entkleidet und dann gewaschen. Also gewaschen heißt, mit einem feuchten Hygienetuch, Desinfektionstuch abgerieben.

Erzähler: Michael Barth hebt Arme und Beine des Leichnams hoch, reinigt Achselhöhlen und Kniekehlen, dann den Rest des Körpers. Der Bestatter hat das schon oft gemacht. Seit 27 Jahren ist er im Geschäft. Seit einem Jahr arbeitet er bei einem Bestattungshaus in Ansbach in Mittelfranken.

Bestatter: Routine wäre vielleicht das falsche Wort, weil man sollte doch die Pietät wahren, auf jeden Fall. Und ich sehe es halt nicht als Beruf an, sondern mehr als Berufung. Weil jeder Verstorbene ist doch ein Mensch, auch noch im Tod und dann sollte man ihm doch die Würde erweisen.

Erzähler: Es ist kalt. In dem sterilen Raum sind sich zwei kleine Fenster, an der Wand gegenüber hängt ein Waschbecken. Langsam breitet sich der Geruch der Leiche aus, ein herb-süßlicher Geruch, gemischt mit den Ausdünstungen von Kot. Es riecht nach Tod. Die Kühlbox, in der die Leichen liegen brummt.

Bestatter: Gefühle? Schwer zu sagen, das ist halt ein Verstorbener. Ich hab zu dem keine direkter Verbindung, ist ja kein Angehöriger, und somit ist eigentlich für mich normal.

Erzähler: Bestatter Barth reinigt den Körper der Verstorbenen und kümmert sich auch um die Gesichtshygiene: Er zupft Härchen, formt die Augenbrauen und rasiert den Damenbart.

Bestatter: Aber wenn das so ein Vier-, Fünftagebarth ist, dann ist der ja meistens im Krankenhaus gewachsen, der Bart. Oft ham wir dann auch Bilder, wo wir sehen, wie der Verstorbene ausgesehen hat. Und die Angehörigen wünschen des auch oft, dass es dann nochmal schön rasiert wird.

Erzähler: Als er fertig ist, reinigt er die Instrumente und wäscht seine Hände. Hygiene, sagt er, ist bei dieser Arbeit wichtig.

(Atmo, wie Barth sich die Hände wäscht, fließendes Wasser)

(Das fließende Wasser wird überblendet mit fließendem Wasser aus dem Sektionssaal)

Erzähler: Rechtsmedizin Uniklinik Heidelberg. Juliane Glas steht am Sektionstisch. Seit einem Jahr ist Glas „Assistenzärztin in der Weiterbildung zur Ärztin“ und hat seit dem rund 100 Obduktionen durchgeführt.

Sie trägt Einmalhandschuhe und Mundschutz. Die blonden Haare hat die 32-Jährige mit einer Klammer am Hinterkopf festgesteckt.

Auf dem Tisch vor ihr liegt eine tote Frau, Mitte 80, weiße Haare, runzlige Haut. Sie ist nackt.

Rechtsmedizinerin: Das ist tatsächlich ganz normal. Das ist halt Arbeit, andere sitzen am Schreibtisch und das ist für mich mit keiner emotionalen Belastung gerade verbunden.

Erzähler: Außer Glas sind zwei neue Assistenzärztinnen, die Ärztin und ein Präparator im Raum. Für die Assistenzen ist es die erste Sektion, Glas soll Ihnen einiges erklären und zeigen.

Erzähler: Der Präparator, ein Mann mit Glatze, schneidet den Leichnam brustabwärts mit einem Messer auf. Eine gelbliche Masse kommt zum Vorschein: Das Fett. Mit ihren Händen klappt Glas das Fett zur Seite – die Sicht auf Leber, Magen, Niere und andere Organe ist jetzt frei. Ein beißender Geruch breitet sich aus.

(Geräusch von Knacken ist zu hören)

Erzähler: Dann kappt Rechtsmedizinerin Glas mit einer großen Zange die Rippen durch.

Rechtsmedizinerin: Wart mal ganz kurz Achim, ich muss das ganz kurz erklären. Wenn der Brustkorb freiliegt, erst Zwerchfellstand prüfen, Rippen abzählen, bei mir ist es eben die vierte Rippe, bei dir die fünfte...

Erzähler: Bei der Sektion heute geht es um den Fall einer Frau, die im Krankenhaus gestorben ist. Todesursache: ungeklärt.

Glas versucht nun mit ihren Kolleginnen herauszufinden, was der Grund ihres Todes ist. Auch wenn sie eine Vermutung haben, müssen die Medizinerinnen den kompletten Leichnam und alle Organe untersuchen.

Rechtsmedizinerin: Zack, so damit wir jetzt nicht gleich ne Schweinerei haben, streich ich das nochmal ein bisschen nach unten. So und jetzt gibt’s zwei Techniken, entweder man fiedelt oder man schneidet sich das ein bisschen an, sucht sich einmal den Übergang zum Dickdarm und macht auch hier ein kleines Löchlein rein. Gut, jetzt haben wir den Dünn zumindest schonmal komplett mit dran.

Erzähler: Juliane Glas holt die Organe aus dem Leichnam und legt sie auf den Tisch. An ihren Händen und an den Instrumenten klebt Blut. Um bessere Sicht zu haben, wischt sie das Blut vom Dünndarm. Dann schneidet sie vorsichtig in das Fleisch.

(Tatortreiniger dreht den Schlüssel im Schloss um, um in die Wohnung zu gehen)

Erzähler: Nürnberg-Nord, Eckhaus, fünfter Stock, eine Drei-Zimmer-Wohnung: Das ist der heutige Einsatzort für Tatortreiniger Christian Kölbl. Er ist seit einem Jahr im Job und was ihn hinter dieser Wohnungstür erwartet, überrascht den Tatortreiniger nicht.

(O-Ton Tatortreiniger aus dem Off: „Man nimmt jetzt schon leicht den Geruch wahr)

Tatortreiniger: Der Geruch ist Verwesungsgeruch, manche halten ihn für süßlich, ich eher herb, ja wie verfaultes Fleisch. Das kommt vom Kot, das Blut und Flüssigkeiten aus dem Körper. Da entsteht der Geruch.

Erzähler: Der Gestank geht von einem großen Fleck auf dem Boden aus. Der Fleck zieht sich vom Bad, in dem nur eine dreckige Toilette steht, über die Schwelle, bis in den Gang. Kleine Tierchen scheinen sich dort schon wohlzufühlen. Der Fleck hat eine dunkelrot-braune Farbe.

Tatortreiniger: Also der Herr der da gelebt hat, der hat ein Blutsturz erlitten, das heißt, dass die inneren Organe versagen und dann einfach des Blut rauskommt ausem Körper und der dann stirbt. Und nach vier Wochen haben sie ihn gefunden. Und da wars eben schon, dass eben die Körperflüssigkeiten ausgetreten sind.

Erzähler: Tatortreiniger Kölbl steht praktisch auf einer Baustelle: Die Wände und Decken sind unverputzt, Kabel kommen aus den Wänden und es ist kein Boden verlegt. Holzplatten, Werkzeugkasten und Farbeimer stehen verteilt in der Wohnung. Neben der Reinigung entrümpelt der Tatortreiniger auch. Gesamtkosten für den Eigentümer: Rund 4000 Euro.

Tatortreiniger: Die Tatortreinigung ist mit die größte Herausforderung, vor allem der Geruch, der entsteht. Also der Geruch muss entfernt werden und des is die Herausforderung beim Tatort. Das Entrümpeln zum Beispiel, das Sauber machen der anderen Räume, kann jeder Hans Wurst machen, sag ich jetzt mal. Das spezielle ist eben mit dem Fleck umzugehen, mit dem Fundort umzugehen und des zu beseitigen

Erzähler: Tatortreiniger Christian Kölbl geht durch die Wohnung und schaut sich alles an. Dann legt er los.

(Ozon wird angeschlossen)

Tatortreiniger: Das Wasserstoffperoxid-Gerät, das vernebelt jetzt die Wohnung damit eine Grunddesinfektion da ist.

(Geräusch des Geräts läuft weiter)

(Musik)

Tatortreiniger: Also, des schaff ich jetzt nicht, war eigentlich noch nie, ne war noch nie der Fall. Das schlimmste war eine Badewanne, wo jetzt der Stöpsel offen war und das ganze Blut in den Abfluss reingelaufen ist. Das war sehr schwierig von der Reinigung her.

Rechtsmedizinerin: Ich glaube es ist einfach ein Grundinteresse, etwas auch der detektivische Spürsinn, es ist ein schon privilegierter Beruf. Man hat eine Sonderstellung, auch im großen Bereich der Medizin hat man eine Sonderstellung. Es ist nicht typisch. Es is ein außergewöhnlicher Beruf. Und ich wollte was machen, was außergewöhnlich auch ist. Da darf nicht jeder rein kucken, kann nicht jeder machen. Und ich bin da ziemlich gut drin.

Bestatter: Also für mich war oder ist, nach wie vor, der Anblick eines Verstorbenen bei einer Sektion, das ist kein schönes Bild. Da liegt ein, ich sags jetzt mal mit meinen Worten, ein Körper, ein lebloser, toter Körper, an dem Sektionen durchgeführt werden, Todesursachen geklärt, vom Mord bis über Selbstmord. Aber das ist für mich nicht das gewesen, ich wollte den Toten immer so ausschauen lassen, wie ein Schlafender, ich wollte ihm einen würdevollen Abgang bereiten.

(Musik läuft aus)

(Geräusche von Instrumenten („Werkzeug“) des Bestatters)

Erzähler: Bestatter Michael Barth steht auf der rechten Seite des Leichnahms. Barth ist ein großer, dunkelhäutiger Mann, er trägt er ein weißes Hemd und einen dunklen Anzug, dazu schicke Schuhe. Ihm gegenüber steht sein Kollege.

Bestatter: Als nächstes wird ich jetzt den Mund verschließen. Weil es sieht ja nicht schön aus wenn die Menschen mit offenen Mund im Sarg liegen. Das gibt es verschiedene Möglichkeiten. Man kann den Mund nähen, man kann den Mund kleben und je nachdem wie, ich sag jetzt mal, die Beschaffenheit des Mundes ist, muss man dann natürlich wählen.

(Atmo wie er klimpert und alles zurechtlegt)

Erzähler: Der Bestatter fädelt den weißen Faden in die Nadel. Mit Zeigefinger und Daumen spreizt er die Lippen der Toten. Dann sticht Barth mit der Nadel in das Zahnfleisch.

Bestatter: Nur da wo es von Nöten ist oder wo es die Angehörigen halt wünschen, dass sie sagen, wir möchten ihn nochmal sehen und dann muss er natürlich schon daliegen, ein Verstorbener, wie ein Schlafender und die wenigsten Leute schlafen ja mit offenem Mund.

(...) Da ist auch wichtig, dass man gerade im Mundbereich bisschen auf die Hygiene achtet, dass es da keine rausdrückende Mageninhalte zu sehen sind.

Erzähler: Dann zieht Barth mit seinem Kollegen die Verstorbene an. Die Angehörigen haben den Bestattern eine schwarze Stoffhose und eine weiße Bluse gegeben. Mit diesen Kleidern soll sie beerdigt werden.

Bestatter: Jetzt wird die Verstorbene, nachdem wir sie in den Sarg gelegt haben noch richtig positioniert. Dass sie da auch richtig drin liegt. Kleidung nochmal gerichtet, weil die ja beim Rüberheben in den Sarg verrutscht. Dann natürlich die Haare nochmal gekämmt .Ich nehm dann am besten, tu meistens den Leuten mit Trockenshampoo die Haare nochmal ein bisschen waschen.

Dann sehn die Haare auch nicht so platt aus, sondern haben nochmal richtig Fülle. So wies eigentlich im Leben ist, da läuft man ja auch ungern mit fettigen Haaren rum.

(Öffnen, sprühen und schließen der Flasche.)

(...und übertönt von lautem Sägen aus dem Sektionsaal, dann Knacken wie der Schädel aufgebrochen wird)

Rechtsmedizinerin: Also ich schaue mir jetzt einmal das Gehirn an, das Gewebe, das wir rausgenommen haben aus dem Schädel, ob ich irgendwelche Auffälligkeiten sehe, eine Blutung zum Beispiel oder einen alten Infarkt. Das hier ist das Kleinhirn, das wird einmal entfernt vom Großhirn, um sich das separat anzuschauen.

Erzähler: Der Sektionssaal im Institut für Rechtsmedizin in Heidelberg ist weiß gefliest, links und rechts Einbauschränke. Es gibt zwei Sektionstische mit einem Waschbecken, auf dem Tisch liegen Instrumente: Klemmen, Zangen, Scheren, Messer. Daneben hängt eine Tafel, auf der die Ärztinnen Eckdaten festhalten: Name, Größe, Gewicht der Toten.

Rechtsmedizinerin: Es ist schon relativ weich, dadurch, dass der Leichnam schon einige Tage alt ist. Die Kollegin, die diktiert gerade, alles was wir finden, damit wir nichts vergessen, weil im Nachhinein das zu diktieren würde dazu führen, dass man irgendwelche Sachen vergisst, zwangsläufig.

Der Hirnstand ist unauffällig (zu den anderen)

(Atmo aus dem Sektionssaal)

Erzähler: Es riecht nach Blut. Jede der Ärztinnen untersucht ein Organ. Sie werden aufgeschnitten, untersucht, abgewogen und kommen dann zurück in den Leichnam.

Rechtsmedizinerin: Letzten Endes wird die Dame ja auch nochmal beerdigt. Also alles was wir jetzt aufschneiden, machen wir nachher auch zu. Der Leichnam wird komplett geschlossen. Auch alle Organe kommen wieder in den Leichnam hinein, zwar nicht in der gleichen Anordnung, aber entsprechend auch ethischer Grundsätze im Prinzip, sollte der Zustand so gut wie möglich wiederhergestellt werden, wie der Leichnam vor der Obduktion auch war.

Erzähler: Tatortreiniger Kölbl kann jetzt richtig mit der Arbeit beginnen. Das Ozon hat die Räume vernebelt und desinfiziert.

Tatortreiniger: So wie der Mann gefunden worden ist und so wie er gelebt hat so sieht’s jetzt hier noch aus in der Wohnung.

(Geräusch wie er das Wasserstoffgerät rauszieht)

Erzähler: Bevor Kölbl den Tatortort reinigt, räumt er gemeinsam mit seiner Kollegin die Wohnung. Vieles, was sie finden, wird in Müllbeutel verstaut und kommt in einen großen Container, der vor dem Haus steht.

In dem Zimmer neben dem Fundort steht das Bett: Ein paar zusammengelegte Bretter und eine Schaumstoffmatratze. Kölbl zerkleinert es und stopft alles in Mülltüten.

(Geräusche von Arbeit, zerkleinern, Müllsäcke).

Tatortreiniger: Das hier zum Beispiel ist wichtig, hier haben wir eine Bankkarte und eine Kontonummer, aber keinen Personalausweis, Geld, Restgeld ist noch drin, genau, das wars.

Erzähler: Kölbl schaut sich den Geldbeutel nicht genau an. Schnell legt er ihn auf die Fensterbank. Dort liegen schon andere persönlichen Dinge des Toten: ein kleiner Rucksack, Schlüssel und Fotos.

(Musik)

Kölbl: Also, wir schotten uns relativ weit davon ab, dass wir uns da emotional mitreinziehen lassen. Also der Beruf bringt mit, dass man krank werden kann, wenn man alles zu sehr an sich ranlässt. Aber man muss einfach versuchen an sich abprallen zu lassen. Wir sprechen viel unter den Kollegen, dass wir das schnell verarbeiten können und dass das wieder weg ist.

Bestatter: Für mich sind kleine Kinder ganz, ganz schlimm und von der Dramatik her, Selbstmörder, vor den Zuggelaufene, das sind dann schon harte Fälle, wo man dann doch auch einige Tage drüber nachdenkt. Man darf es halt nicht an sich ranlassen, man muss halt echt verdrängen.
Wenn ich hier rausgehe und Feierabend hab, dann ist Feierabend. Ich rede mit meiner Frau auch viel darüber, ab und an, wenn mich etwas bewegt, rede ich mit ihr darüber, sie hört mir zu, sie gibt mir den ein oder anderen Ratschlag, aber im Normalfall ist, wenn ich rausgehe, Feierabend. Man darf es nicht mit Heim nehmen.

Rechtsmedizinerin: Wenn man es als Ritual bezeichnen kann, ist es tatsächlich, die Sachen direkt im Flur ablegen, mir mindestens ne halbe Stunde den Fernseher anzumachen und an gar nichts mehr zu denken. Ich schaue mir dann tatsächlich irgendeinen Mist an, der nichts mit der Rechtsmedizin zu tun haben. Und da kann man wunderbar bei abschalten.

(Musik steht für einige Sekunden frei)

Tatortreiniger: Wir behandeln jetzt den Leichenfleck, indem wir Wasserstoff aufsprühen und die Reaktion auf Wasserstoff ist, dass es das Schäumen anfängt in weiß. Das heißt, wir lösen jetzt den Leichenfleck auf.

Erzähler: Der Tatortreiniger kniet auf dem Betonboden.

(Schrubben)

Neben ihm steht ein Eimer mit Wasser. Eine Baulampe spendet das nötige Licht. Sie ist auf den dunklen Fleck gerichtet.

Tatortreiniger: Diese kleinen Wünstchen da, das sind Larven gewesen, die scheinen schon geschlüpft zu sein. Das war zum Teil Blut, also des hier, was hier weiß aufschäumt, das ist Eiweiß, also das ist Blut und alles was dunkel bleibt das ist dann sowas wie Kot, oder andere Flüssigkeiten, die kein Eiweiß enthalten. Das nehmen wir jetzt alles auf und dann wird erst richtig angefangen, die Sanierung zu machen. Deswegen fängt es jetzt auch wieder stärker zu riechen an, weil wir es ausweichen und schauen, dass wir es runter kriegen.

(Geräusche vom Putzen, Lappen auswringen, hinter O-Ton legen, und bleibt dann frei stehen)

Erzähler: Mit einem Messer kratzt er das getrocknete Blut und andere Flüssigkeiten vom Boden. Dann saugt er alles mit einem Lappen auf und wringt ihn im Eimer aus.

Er schrubbt den Tod weg.

Tatortreiniger: Ja es gibt auch die Reaktionen: Ih, das ist eklig oder Leute, die damit nichts zu tun haben wollen, die gibt es natürlich auch. Aber damit muss man einfach umgehen können.

Rechtsmedizinerin: Das is se? Hhhooo, sie ist wirklich...Wow, Wahnsinn, das sollte normal alles frei sein. Das ist eben ein dickes fettes Blutgerinnsel, was die Gefäse verstopft, was eigentlich zur Lunge führt und mit Sauerstoff angereichert werden sollte und das ist schon sehr imposanter Fund. Wir finden zwar häufig Lungenembolien, aber die sind in der Regel kleiner und nicht ganz so in den Hauptästen

Erzähler: Juliane Glas steht am Fuße des Sektionstisches. Der Körper der Frau liegt offen da. Die Rippen stehen nach oben ab. Gerade haben Glas und ihre Kolleginnen in der Lunge der Frau ein Blutgerinnsel gefunden: Höchstwahrscheinlich die Todesursache.

Von dem Befund machen sie Fotos.  Das alles dient zur Dokumentation für die Staatsanwaltschaft.

(Geräusch Fotos)

(Geräusche aus Sektionssaal, wie alles saubergemacht wird)

Rechtsmedizinerin: Jetzt sind alle Organe wie im Leichnam drin, unser Präparator macht einmal den Leichnam wieder zu („jop“). Das muss nicht so schön sein, wie mein Chirurgen, dass man im späteren Verlauf keine Narbe mehr sieht, es sollte halt nur dicht sein. Und zumindest nicht zusehen, wenn man ein Leichenhemd trägt.

(...)Dann in ein Sarg packen und wir können den Bestatter informieren, dass er den Leichnam wieder abholen kann.

(Atmo, wie Bestatter den Sarg ins Auto hieft)

Bestatter: So.

Erzähler: Bestatter Barth sitzt im Leichenwagen: Ein dunkles Auto ohne Aufschrift, die Scheiben sind hinten schwarz und vorne abgedunkelt. Im Kofferraum liegt der Sarg. 

Bestatter: Also, wenn jetzt hinten einer klopft, hamma den falschen mitgenommen.

Erzähler: Barth ist auf dem Weg zum Friedhof. Dort findet heute die Aussegnung stattfinden. In der evangelischen Kirche ist es Tradition, sich kurz nach dem Tod am offenen Sarg von den Verstorbenen zu verabschieden.

(Geräusch, von Ankunft am Friedhof, Sarg wir herausgehoben)

(Musik)

Bestatter: Viel Verantwortung den Angehörigen gegenüber, weil sie ja für die Angehörigen nicht nur ein Instrument sind, um dem Verstorbene jetzt die letzte Ruhestätte zu bringen, sondern sie sind ja auch ein seelischer Ansprechpartner. Und das tut einem schon auch gut, dass man merkt, dass man nicht nur ein Instrument ist, sondern auch wirklich einen Bezug zu dem Angehörigen hat. Weil der Angehörige, der ist ja total überfordert mit der Situation.

Rechtsmedizinerin: Man darf nicht mit der Erwartungshaltung reingehen, dass man Menschen helfen kann. Man muss dann sich dem auch im Klaren sein, dass man sich naja, am Rand der Gesellschaft befindet. Man hat nicht mit schönen Dingen zu tun. Man sieht die schlechten Seiten der Gesellschaft und das in ziemlich geballter Form.

Tatortreiniger: Die Angehörigen werden dadurch geschont, dass sie ebn nicht bei der Räumung dabei sind. Sie sollen den Hinterblieben eigentlich so im Kopf behalten, wie sie ihn kennen und ned so wie wir den Tatort jetzt sehen. Sie sollen die Wohnung sehen, wie sie gereinigt ist und dann ist eigentlich wieder alles gut.

(Musik steht kurz frei)

(Geräusche Vogelgezwitscher auf dem Friedhof)

Erzähler: Bestatter Barth steht im Leichenschauhaus auf dem Friedhof. Er zündet die Kerze an. Sie steht auf einem Tisch neben dem Sarg. Gleich kommen die Angehörigen und der Pfarrer.

Bestatter: Dass wir den Verstorbenen nochmal sehen, heiße ich persönlich nicht für gut. Das hat folgenden Grund: Der Verstorbene, der liegt ja quasi in dem Sarg drin und ich als Angehöriger haben diesen Menschen aber lebendig erlebt, also stehend, sitzend, lachend, weinend. Alles Mögliche, was er in diesem Zustand nicht mehr tut. Jeder Pfarrer sagt ja, man soll ihn so in Erinnerung halten, wie man ihn gekannt hat. Tot hat ihn keiner gekannt.

(Vogelgezwitzscher vom Friedhof)

(Lautes Schrubben vom Tatortreiniger)

Erzähler: Auf der Stirn des Tatortreinigers bilden sich Schweißtropfen. Sein Kopf ist rot angelaufen. Er kniet über dem Blutfleck.

Der Rest der Wohnung ist sauber und aufgeräumt. Nur noch letzte Werkzeuge und ein Schreibtisch stehen in den Zimmern.

Tatortreiniger: Wir helfen den Hinterbliebenen, dass sie eben die Verstorbenen so im Kopf behalten, wie es sein soll. Unser Auftrag ist es dann eher nicht, dass wir den Dreck wegräumen sondern, dass wir die Hinterbliebenen schützen. So sehe ich es.

(Geräusche wie es zusammenpackt, macht den Koffer zu)

Erzähler: Kölbl hat die letzten sieben Stunden in der Nürnberger Wohnung verbracht – der Auftrag ist noch nicht ganz erledigt. Da der Fleck sehr hartnäckig ist, muss der Tatortreiniger morgen ein zweites Mal kommen und ihn behandeln.

Für heute ist die Arbeit jedoch geschafft.

Tatortreiniger: So, also wir sind jetzt für heute fertig, Wir haben jetzt mit Wasserstoff nochmal die ganzen Räume behandelt. Haben den Leichenfleck nochmal behandelt zum Schluss. Und machen jetzt eine Ozonbegasung

(Musik)

Tatortreiniger: Man schätzt es viel mehr, das Leben, weil man sehr viel Elend sieht und von daher schätz man es schon extrem. Man sieht alles etwas Nüchternen, meiner Meinung nach.

Bestatter: Also ich sage immer, man sollte es als Berufung sehen und nicht einfach um Geld zu verdiene, da kann ich alle anderen Berufe machen. Aber das muss man doch schon auch wirklich mit dem Herzen vereinbaren können, dass man sagt ‚ok, ich steht dazu. Es ist für mich eine wertvolle Aufgabe und nicht einfach ein Handwerk.

Rechtsmedizinerin: Manchmal sinds angenehme, manchmal sinds halt nicht so angenehme Art und Weisen, wie man versterben kann. Es darf einen auch noch in manchen Fällen bestreffen. Also gerade wenn es im eigenen sozialen Umfeld zu Todesfällen komm, auch das macht immer noch traurig. Aber man hat glaube ich, was die eigene Grundeinstellung angeht ein besseres Verständnis dafür, dass es einfach dazu gehört. Und auch was den eignen Tod angeht. Ich möchte natürlich nicht mit Anfang 30 an einem Verkehrsunfall sterben. Aber irgendwann ist man halt tot.

Vor klimpern raus

(Geräusch, wie eine schwere Tür ins Schloss fällt mit Hall)

(Lied läuft aus)

Dieses Radiofeature wurde ausgezeichnet von der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM). Auf unserer Website findet ihr ein exklusives Interview mit der Autorin Ronja Straub, in dem sie über die Entstehungsgeschichte, Herausforderungen und persönliche Eindrücke während der Produktion spricht. Einfach hier klicken.

Unser Musik-Mix

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