Retro Rabbit: Die Reise nach Europa

Mit Retro Rabbit nehmen wir euch mit auf eine Reise zurück in unsere Archivschätze – die besten Beiträge, Interviews und Highlights aus der Vergangenheit, neu entdeckt für heute!
Von der Luftwaffe bombadiert werden? In Deutschland heute undenkbar – in Syrien keine Seltenheit. Dort herrscht seit März 2011 Bürgerkrieg zwischen dem Regime unter Baschar al-Assad und den Rebellen. Rund 6,7 Millionen Syrer sind seitdem auf der Flucht. Cynthia und Saher haben mit Mohamed gesprochen – einem Geflüchteten aus Syrien. Er ist 28 Jahre alt und lebt zurzeit in den Niederlanden. Vor dem Bürgerkrieg hat er einen eigenen Supermarkt in Dara geführt. Am 28. April 2014 war er auf dem Heimweg und hat während eines Angriffs der syrischen Luftwaffe ein Bein verloren.

Mohamed, du wurdest Syrien von einer Bombe erwischt. Was genau ist passiert?

Mohamed (Overvoice, Originalton arabisch): In der Nacht zum 29. April 2014 während ich auf dem Weg nach Hause war, haben die syrischen Regierungsmilizen die Stadt überfallen. Ich bin aus Angst vor der Luftwaffe mit dem Motorrad geflohen.

Eine Bombe ist ein paar Meter neben mir explodiert. Ich wollte bremsen, aber die Bremsen haben nicht reagiert. Dann bin ich vom Motorrad gesprungen. Ich habe versucht zu kriechen, um mich hinter einer Wand zu verstecken, aber wegen der starken Blutungen war ich mehrmals bewusstlos.

Wie hast du es dann aus dieser Situation herausgeschafft?

Mohamed: Damals eilte ein Rettungswagen zu meinem Unfallort und hat mich zu einem Krankenhaus in der Nähe transportiert.

An was kannst du dich erinnern, als du in dem Rettungswagen mitgefahren bist?

Mohamed: Die Schmerzen waren unbeschreiblich und unerträglich. Der Arzt sagte in diesem Moment: „Das Bein wurde über dem Knie abgetrennt. Er braucht sofort eine Röntgenaufnahme und eine Operation. Wir müssen ihn nach Jordanien transportieren.

Wie lief der Transport über die Grenze ab?

Mohamed: Sie haben mich über die syrisch-jordanische Grenze durch die Gitter getragen und ich habe die ganze Zeit stark geblutet. Der Weg durch die Grenze war drei Kilometer lang.

Danach haben sie mich mit einem Krankenwagen nach Amman gebracht. Dort bin ich um fünf Uhr morgens im Krankenhaus angekommen und wurde operiert.

Wie hast du dich gefühlt, als du nach der Operation aufgewacht bist?

Mohamed: Ich war in Jordanien alleine. Ohne meine Familie. Niemand war bei mir. Außerdem blieb ich im Krankenhaus 45 Tage im Koma. Ich bin aber nach der Operation aufgewacht und habe gespürt, dass ich einen Teil von meinem Körper verloren habe. In diesem Moment habe ich tiefes Leid empfunden. Trotzdem habe ich mir selbst gesagt: „Ich muss jetzt neu anfangen und nach vorne blicken.

Wie ging es dann für dich weiter?

Mohamed: Ich wurde in Jordanien acht Monate behandelt und rehabilitiert. Danach konnte ich aber nicht mehr zurück nach Syrien, also bin ich nach Europa geflüchtet. Der Weg nach Europa war gefahrenbehaftet, aber dank meines Willens habe ich es geschafft, heil in Europa anzukommen.

Wie erging es dir auf der Flucht?

Mohamed: Die Flucht nach Europa war wie in einem Fantasiebuch. Jeden Tag war ich in einem neuen Land. Ich bin von Jordanien über die Türkei geflohen und dann mit einem Schlauchboot mit Schleppern nach Griechenland gekommen.

Hattest du keine Angst, als ihr mit dem Boot nach Griechenland gebracht wurdet?

Mohamed: Ehrlich gesagt hatte ich in diesen zweieinhalb Stunden Fahrt Todesangst. Das Schlauchboot war neun Meter Lang und darauf waren 90 Personen. Es war sehr gefährlich. Ich konnte es nicht glauben, als ich das Land erreicht habe. Auf dem Boot waren Familien, Frauen und Kinder- sogar andere Kriegsverletzte wie ich waren auf dem Boot. Einige wollen in Europa ihre Behandlung fortsetzen und andere ihr Leben weiterführen und vor dem Regime fliehen.

Du lebst ja aktuell in den Niederlanden. Wie bist du von Griechenland aus dorthin gekommen?

Mohamed: Also wir haben Griechenland erreicht und nach einem Tag sind wir in Mazedonien angekommen. Von dort aus sind wir nach Serbien gelaufen. Das war sehr hart. Nach einer Woche bin ich dann in Amsterdam angekommen.

Fühlst du dich jetzt in den Niederlanden wohl?

Mohamed: Am Anfang war es sehr fremd und seltsam für mich. Trotz dessen habe ich nach einer Woche meine Behandlung fortgesetzt. Einen Monat lang wurde ich behandelt und habe auch eine Aufenthaltserlaubnis bekommen. Gott sei Dank geht es mir wieder gut und ich besuche jetzt einen Sprachkurs.

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