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Als die Pandemie den Alltag stilllegte, traten sie in die Pedale: Die United Kiltrunners tauschten ihre gewohnten Ausfahrten mit Senioren gegen Einkaufsfahrten für Bedürftige. Autor Oliver begleitet die engagierten Fürther auf ihrer Tour und zeigt, wie Solidarität in Krisenzeiten funktioniert – mit Muskelkraft, Herz und Schottenrock.
Oliver: Früh morgens um 9 stehe ich mitten in Fürth, an der viel befahrenen Würzburger Straße. Vor mir sehe ich den Hintereingang zu einer Anlage für betreutes Wohnen – abgesperrt. Nur ein paar leere Pfandkisten stehen vor der Tür. Fürs Abholen ist ein Team mit bunten, beklebten Fahrrad-Rikschas zuständig.
Udo Schick von den United Kiltrunners lädt sein Gefährt voll – heute alleine, ein Kollege fällt verletzt aus. Für ihn ist es selbstverständlich, die Menschen im Wohnheim mit zu versorgen. Auch wenn für das soziale Engagement die Freizeit drauf geht.
Udo: Wir haben gerade hier im Sicher-und-Sozial-Dienste-Wohnheim viele Vereinsmitglieder drin. Die Sandy z.B.: ist Leiterin oder auch der Felix. Das sind zwei Leute, die haben wir auch sonst immer dabei wenn wir die Touren fahren. Die können natürlich momentan gar nicht und drum war es uns eben wichtig, dafür zu sorgen, dass wir für die Senioren einkaufen und auch für die Pfleger. Die müssen nicht raus und wir können gleichzeitig unsere Akkus leer fahren. Weil wenn wir die jetzt ein ganzes Jahr lang rum stehen lassen würden, dann gehen die Dinger kaputt.
Oliver: Normalerweise steigen zwei Senioren ein und drehen mit ihnen eine Runde durch den Fürther Stadtpark. Ihr Markenzeichen bei den Touren: Der grüne Schottenrock mit Kleeblättern drauf. Wegen der Ansteckungs-Gefahr durch Corona fallen die Ausflüge derzeit aus. Stattdessen bringen die Kiltrunners Lebensmittel und Hygiene-Artikel vorbei. Videos und Bilder ihrer Hilfsaktion werden über Social-Media-Kanäle geteilt – so sind bereits mehrere Tausend Euro an Sach- und Geldspenden zusammen gekommen. Und gerade der Zusammenhalt mit kleinen Geschäften in Fürth funktioniert gut:
Udo: Dadurch, dass wir das Glück haben, dass die Frau Maisch mit ihrem kleinen Tante-Emma-Laden auch da mit unterstützt. Das ist also von hier aus gesehen ungefähr so ein Kilometer zu fahren, da ist es relativ einfach. Und wir haben den Vorteil, dass wir diese ganzen Einkaufslisten hier nicht selber einräumen müssen. Schöner ist es natürlich, Bewohner zu fahren, die lächeln und lachen und uns dann Geschichten von früher erzählen, als hier Lebensmittel… Die schweigen dich halt an.
Oliver: Keine 5 Minuten dauert das Aufladen, dann ist die Rikscha voll. Udo packt die Decke drüber, fährt los – und nur 15 Minuten später kehrt er voll beladen wieder ans Wohnheim zurück.
Ein paar Touren durch Fürth hat der Kiltrunner noch vor sich:
Udo: Heute ist es ein bisschen geballt, weil wir machen zusätzlich auch noch Lebensmittel- und Hygieneartikel-Sachspenden für die Heilsarmee und die zweite Station ist heute das Fanprojekt Fürth. Die sammeln hier auch für die Tafeln, die momentan geschlossen haben und geben es dann wieder weiter – werden die auch versorgt.
Oliver: Und genau dort treffe ich am Abend die Kiltrunners erneut – diesmal ohne Rikschas. Stattdessen hat Udo einen kompletten Transporter voll gepackt. Waschpulver, Konserven und Oster-Süßigkeiten sind an Bord. Die Einzelhändler waren großzügig – schließlich lassen sich die Artikel kaum noch verkaufen.
Die Lebensmittel liefern Sie direkt ans Fanprojekt Fürth in die Theresienstraße. Dort hat Martin Curi mit seinen Kollegen eine „alternative Tafel“ eingerichtet.
Martin: In Fürth hat leider die Tafel geschlossen, weil die dortigen Freiwilligen alle zur Risikogruppe gehören. Also es sind alle über 60 Jahre alt und dann war es ihnen zu heiß, jetzt trotzdem noch das Angebot aufrecht zu erhalten in der Corona-Zeit.
Oliver: Deshalb bereitet Martin mit mehreren jungen Helfern die Verteilung der Lebensmittel vor – und zwar in der Autowerkstatt der Fürther Kinderarche. Die hat das Fanprojekt kurzerhand zum sozialen Anlaufpunkt umgestaltet.
Martin: Wir haben heute 200 Pakete herausgegeben. Das heißt es wird wirklich gesucht, die Schlange war heute echt lang und es war richtig viel Arbeit.
Oliver: Der Aufwand wird auf die Gemeinschafts-Projekte in Fürth aufgeteilt: Viele Schultern stemmen die soziale Herausforderung Corona. Martin verrät, dass er bis zu 130 Helfer auf Abruf hat.
Seit dem 7.Mai ist die normale Fürther Tafel wieder offen. Initiativen wie die Kiltrunners und das Fanprojekt zeigen, dass die Stadt auch in Krisenzeiten zusammen hält – egal ob mit oder ohne Schottenrock.