Satirestück Faschismus „Die Zwischenpinkler“

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Was passiert, wenn man ein unausgesprochenes Alltagsritual bricht? Unsere Autoren Daniel und Leon zeigen in einer fiktiven Geschichte, wie schnell aus harmloser Abweichung gesellschaftliche Ausgrenzung entstehen kann – und was das mit faschistischem Denken zu tun hat. Im Mittelpunkt: der „Zwischenpinkler“.

Grahl und Gleichner betreten Chef Büro

Gleichner: „Sie wollten uns sprechen, Chef?"

Chef: „Ja, Herr Grahl, Herr Gleichner, kommen Sie rein und setzen Sie sich bitte.“

Chef: „Wie wir hören, gibt es in der Belegschaft Streitigkeiten wegen der Toilettensituation. Sie beide sind offenbar wesentlich daran beteiligt. Können Sie mir erklären, wo das Problem liegt?“

Grahl: „Das kann ich Ihnen ganz genau sagen! In der Firma lief alles blendend, bis die Neuen angefangen haben, auf unser Miteinander zu spucken!“

Gleichner: „Wir spucken doch nicht auf unser Miteinander, Bernd. Das ist doch…“

Grahl: „Ich bin nicht dein Bernd! Und das macht ihr natürlich! Ihr schert euch überhaupt nicht um Privatsphäre und Intimate Space! Dauernd wird uns auf den Schwengel geglotzt!“

Chef: “Jetzt mal langsam bitte, ich verstehe gar nicht was hier los ist.“

Gleichner: „Immer mit der Ruhe. Wir haben seit einiger Zeit extrem lange Wartezeiten bei den Toiletten. Das hält uns alle von der Arbeit ab. Einige Kollegen und mir ist aufgefallen, dass viele Mitarbeiter die Klos nicht effizient nutzen und immer ein Pissoir zum Nächsten freihalten."

Grahl: „DAS GEHÖRT SICH AUCH SO! Und das war schon immer so! Erst seitdem Ihr Asozialen da seid, ist das so. Ihr pfeift auf unsere Sitten. Unserer geliebten Firma DUMENS geht es eh nicht mehr so gut wie früher. Und dass Ihr ALLE ANDEREN Mitarbeiter verunsichert, macht es noch schlimmer! Diese Barbaren gehören gefeuert Chef! Da sparen Sie sich ordentlich Gehalt!“

Gleichner: “Herr Grahl, jetzt reichts aber! Die wirtschaftliche Situation der Firma hat doch nichts mit unserem Urinal-Verhalten zu tun. Außerdem sind Toiletten dazu da, um benutzt zu werden. Das machen nicht nur „Wir Neuen“, sondern auch viele eingesessene Mitarbeiter so. Fragen Sie doch mal rum.

Grahl: „Das ist ja grad das schlimme! Durch euren Druck zerbrechen unsere Traditionen!“

Gleichner: „Also das ist ja wirklich lächerlich, Herr Grahl. Das hat doch nix mit Tradition zu tun. Angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage der Firma müssen wir unsere Zeit effizienter nutzen. Chef, ich denke, es wäre ne gute Idee einfach mehr Toiletten zu bauen.“

Grahl: „Das ist doch völliger Wahnsinn! Ich kann diese Zwischenpinkler-Scheiße nicht mehr hören! Man wird doch wohl verlangen dürfen, dass einem niemand das beste Stück wegguckt! Wenn das so weitergeht, fangen die hier noch an in die Pissoirs zu scheißen! UND SIE SCHAUEN SICH DAS ALLES NUR AN CHEF UND MACHEN GAR NIX! Jemand muss hier mal andere Saiten aufziehen! Wir sagen: STOPPT DEN PINKELWAHNSINN! DIESE DRECKSVIECHER GEHÖREN RAUSGESCHMISSEN!!!

Gleichner: „Hören Sie mal, Herr Grahl, würden Sie wirklich fast die Hälfte der Belegschaft rausschmeißen? Wer will denn dann hier die ganze Arbeit machen? Sie etwa?

Grahl: „Ähm… Ja, vorher liefs doch auch!“

Gleichner: „Schauen Sie mal, ich verstehe, warum Sie frustriert sind. Am Ende des Tages wollen wir beide dasselbe. Der Firma soll es gut gehen und wir wollen uns alle wohlfühlen. Aber Sie ignorieren die wahren Probleme. Selbst wenn wir nicht mehr „Zwischenpinkeln“ würden, wäre der Umsatz der Firma immer noch nicht so gut. Was würden Sie davon halten, wenn die verschiedenen Abteilungen zu unterschiedlichen Zeiten Pause machen? Dann wären die Toiletten bestimmt nicht mehr so voll.“

Grahl: „Graben Sie den Dreckschweinen im Hof einfach ein Loch Chef! Dann können die da reihum alle gleichzeitig rein pinkeln und sich danach darin suhlen, wenn denen das Spaß macht. Wir zivilisierten Mitarbeiter schuften uns hier drin einen ab und wollen nur unsere Ruhe!

Chef: „Herr Grahl, Sie haben sich wiederholt im Ton vergriffen. Sie diffamieren hier ihre Mitmenschen. Außerdem sind Ihre Flugblätter dazu mehr als geschmacklos und unangebracht.

nimmt eines und liest vor

DUMENS in die Zukunft tragen! Zwischenpinklern an den Kragen!

Grahl: „Das glaub ich ja nicht! Sie stecken mit denen unter einer Decke! Deswegen bauen Sie auch keine Klos! Uns Normalos wollen Sie hier raus ekeln! Ich werd den Teufel tun und mich hier mit zwei Zwischenpinklern abzugeben. Wir sind die Belegschaft! Wir werden uns nicht unterdrücken lassen! Wir werden gemeinsam Widerstand leisten!

Grahl steht wutentbrannt auf und stürmt aus dem Büro

Gleichner und Chef gleichzeitig: „Was für ein Spinner.“

Unser Musik-Mix

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