Warum sind so viele Menschen – vor allem Frauen – von wahren Verbrechen fasziniert? Was zieht uns in die düstere Welt der True Crime Podcasts? Und steckt vielleicht mehr dahinter als bloße Unterhaltung?
In diesem Radio-Feature begibt sich Malou auf eine persönliche Recherchereise. Sie spricht mit einer True Crime Podcasterin und einer Kriminalpsychologin, um herauszufinden, was hinter der Faszination für echte Kriminalfälle steckt – und was das über uns als Gesellschaft aussagt.
Malou: Ein Genre, dass fasziniert Grausame Geschichten über skrupellose Täter und unschuldige Opfer. Ja und was machen wir? Wir haben unseren Spaß daran. Aber ehrlich: Wie komisch ist das denn! Warum sind wir Menschen so hin und weg von den Erzählungen wahrer Verbrechen? Genau das will ich hier herausfinden.
Bitte mehr Mord – Der Podcast, der der Faszination für True Crime auf den Grund geht. Von Malou Merkel.
Malou: Ich gebe zu, auch ich bin ein großer True Crime Fan. Es gibt bestimmt drei oder vier True Crime Podcasts, die ich regelmäßig höre. Also fast jeden zweiten Tag eine neue Folge von grausamen Geschichten. Aber versteht mich nicht falsch, ich finde meine Faszination über wahre Verbrechen sehr komisch. Da kenne ich auch keine Grenzen mehr: Ich höre sie auf dem Weg zur Uni, beim Kochen, ja sogar, wenn ich ein entspanntes Bad nehmen will. Sofort geht’s auf Spotify und beim neuen Fall wird direkt auf Play gedrückt.
Genau so, wie die meisten Leute ihre Lieblingssongs rauf und runter hören, höre ich die detaillierten Erzählungen von wahren Kriminalfällen. Der YOGTZ’E Fall, der tote Ministerpräsident, die mysteriösen Massagemorde oder die Bluthochzeit. Warum finde ich es so interessant und sogar entspannend über schlimme Menschen und ihre noch schlimmeren Taten zu hören? Sollten solche Geschichten nicht genau das Gegenteil bei mir bezwecken? Mich eher abschrecken? Fragen über Fragen und ich stelle sie mir in letzter Zeit immer häufiger. Mein schlechtes Gewissen wird größer und ich frage mich ernsthaft, was bei mir da oben falsch läuft.
Weil das so ist und ich es auch so verwirrend finde, habe ich mich mal etwas näher mit dem Thema befasst. Und siehe da: Ich bin nicht die Einzige mit so einer weirden Faszination. Das Genre True Crime gehört zu den beliebtesten Podcastgenres und durch die hohe Nachfrage steigt auch die Anzahl an True Crime Podcaster:innen und damit auch wieder die Zahl der Hörer:innen. Angebot und Nachfrage. Ganz einfach.
Hier habe ich mich mal an ein paar wissenschaftliche Studien und Statistiken herangewagt. Aber keine Sorge, euch erwarten jetzt keine 20 Minuten Zahlenhagel. Aber die Studie der „Seven One Entertainment Group war sehr aussagekräftig. 4 der Top 10 Podcasts hätten dem Genre True Crime zugeordnet werden können. Also fast die Hälfte. So also ist es Fakt, dass True Crime in Form von Podcasts boomen. Oft wird bei diesem Genre auch von der Mutter des Podcasthypes gesprochen. Das toppen eigentlich nur noch Podcasts, die eher allgemeine Themen behandeln, wie aktuelle Nachrichten in Politik und Gesellschaft. Aber, dass so ein spezielles, vermeintlich kleines Themenfeld so viel Anklang bei uns findet, ist verblüffend. Warum das so ist, können mir die Zahlen aber leider nicht sagen. Und dafür sind wir hier. Lasst uns in die dunkle Psyche der Menschen eindringen und Hoffnungsschimmer sowie Schattenseiten des Genres aufdecken. Für so ein großes Thema musste ich mir aber auch Verstärkung holen.
Zum einen habe ich mit Stefanie Plugge-Henze geredet. Sie produziert und hostet schon seit über vier Jahren den Podcast „Von Mord und Totschlag“.
Stefanie Plugge-Henze: Ja, also ich bin eine One-Woman-Show. Ich mach alles allein. Ich recherchiere, ich skripte, ich nehme auf, ich schneide, ich hoste.
Malou: Die Podcasterin hat eine klare Meinung dazu, warum ihr eigenes Genre so gut ankommt. Sie selbst hat aus der Faszination ihren Beruf gemacht.
Stefanie: Ich glaube tatsächlich, dass es in der menschlichen Natur einfach liegt, dass man von Geschichten über das Unbekannte, über das Bedrohliche einfach angezogen wird. Ich glaube, dass viele Menschen auch von der Komplexität der Fälle und dem Ermittlungsprozess fasziniert sind. Weil, das ist ja einfach oft wie so ein großes Puzzle mit tausend Stücken, was einfach nach und nach zusammengesetzt wird. In dem Moment, wo der Fall dann halt gelöst wird, kann ich mir schon vorstellen, dass man als Hörer dann so das Gefühl bekommt, dass trotz des Chaos in der Welt Gerechtigkeit irgendwie möglich ist.
Malou: Wie versprochen möchte ich in dem Podcast aber auch tiefe Einblicke in die menschliche und vor allem meine eigene Psyche bekommen und, wer wäre da nicht besser geeignet als eine Psychologin. Almut Hellwig ist noch dazu Psychologin beim Bayerischen Landeskriminalamt. Also ein Profi für Psychologie und wahre Verbrechen.
Almut Hellwig: Mittlerweile ist es ja eigentlich schwer überhaupt daran vorbei zu kommen, also die Formate sind ja oft schon auf den Startseiten von den gängigen Streaming-Diensten abgebildet und ich kann den Reiz, den diese Formate mit sich bringen zu einem gewissen Teil auch nachvollziehen.
Malou: Sie hat bisher auch eher wenig Berührungspunkte mit True Crime Podcasts und hört selbst eher ungern in ihrer Freizeit Geschichten über Kriminalfälle. Ein perfekter Kontrast zu der leidenschaftlichen Podcasterin Stefanie Plugge-Henze. Trotzdem hat auch Almut Hellwig eine klare Meinung zu der Thematik.
Almut Hellwig: Diese detaillierten Schilderungen wahrer Verbrechen sind eine Adrenalinquelle, ohne selbst dabei an potenziell gefährlichen Aktivitäten beteiligt zu sein. True Crime bietet eine Kombination aus Berichterstattung und gleichzeitig Hervorrufung emotionaler Reaktionen.
Malou: Also fassen wir mal zusammen: Eine einzigartige Verbindung aus Unterhaltung und Infogehalt ist das, was True Crime für die meisten Hörer:innen ausmacht. Ein informativer Mehrwert ist auf jeden Fall gegeben und das mit der Unterhaltung verstehe ich auch, aber warum catcht uns immer das, was nichts mit uns zu tun hat. Sollte man sich nicht eher für Lebensgeschichten interessieren, die man eher nachempfinden kann?
Almut Hellwig: Es liegt auch psychologisch gesehen in der Natur des Menschen, mehr über das Unbekannte erfahren zu wollen. Und ein Grund dafür ist der, dass das Sicherheitsgefühl zunimmt, je mehr man über seine Umgebung weiß.
Malou: Lasst uns noch einmal aufgreifen, was Psychologin Almut Hellwig da sagt. Wir fühlen uns sicherer, wenn wir uns über grausame Verbrechen und schlechte Menschen informieren als, dass wir dadurch mehr Angst vor der Welt da draußen bekommen?
Almut Hellwig: Das Bedürfnis nach Sicherheit, Orientierung und Kontrolle ist eines der grundlegendsten Bedürfnisse des Menschen und, das wird dann erfüllt, denn was nicht mehr im Unbekannten liegt, scheint verstanden zu sein. Was wir verstanden haben, können wir kontrollieren, beziehungsweise die Konfrontation vermeiden. Das funktioniert dann zumindest für die Menschen in der Theorie.
Malou: So ist es natürlich nicht bei allen Hörer:innen, aber obwohl sich das absurd anhört, dieses Phänomen gibt es wirklich und ist in der Psychologie weit verbreitet. Es nennt sich defensive Vigilanz, eine Art Wachsamkeitszustand, in dem Menschen, ohne zu zögern auf bestimmte Reizsituationen und Veränderungen in der Umwelt reagieren und sich in unserem Fall besser vorbereitet fühlen. Da kann ich mich nur anschließen. Ich rede mir schon oft ein, dass ich kritische Situationen unter Kontrolle habe und sie früher als viele andere erkennen kann. Könnte an meinem starken True Crime Konsum liegen.
Lasst mich euch ein Beispiel geben: Wenn ich nachts allein nachhause laufe und auf meiner Gehwegseite einen auffälligen Van geparkt sehe, noch dazu an einer Stelle, an der nicht viele Leute langlaufen oder wohnen, klingeln bei mir sofort die Alarmglocken. Übrigens meine ich mit einem auffälligen Van, einen weißen mit wenig Scheiben und wenn, dann sind diese abgedunkelt. Genauso, wie beim Fall von Natascha Kampusch. Da bin ich zu schlau für die Kidnapper und wechsle sofort die Straßenseite.
Aber zurück zur Realität. Vielleicht ist es euch aufgefallen, vielleicht auch nicht, aber ich habe mir für den Podcast ganz bewusst nur weibliche Interviewpartnerinnen gesucht. Durch meine Recherche ist mir nicht entgangen, dass vor allem Frauen, junge Frauen, treue Hörerinnen des Genres sind. Über 90% der True Crime Community ist weiblich. Ich bin ja auch eine junge Frau und die meisten True Crime Junkies in meinem Umfeld sind auch junge Frauen. Warum ist das so? Podcasterin Stefanie Plugge-Henze weiß mehr.
Stefanie: Tatsächlich sind es bei mir 78,9 Prozent weibliche Hörer, 17,1 Prozent sind männlich, 2,7 haben sich nicht festgelegt und 1,3 Prozent sind nonbinär. Und ich habe mich auch wirklich oft gefragt, warum ist das so? Ich muss es ja jetzt verallgemeinern, aber Frauen neigen halt öfter mal dazu empathischer und einfühlsamer zu sein, was glaube ich dazu führt, dass sie sich stärker mit den Opfern identifizieren und einfach eine tiefere emotionale Verbindung zu den Geschichten aufbauen können, als vielleicht Männer das machen.
Malou: Sind Frauen wirklich empathischer als Männer oder ist das wieder nur ein hartnäckiges Vorurteil? Eine Studie von Forschenden der Cambridge University ergab, dass Frauen in den meisten Ländern wirklich ein höheres Level an Empathie besitzen. Diese Empathie-Lücke begründen sie wie folgt: Zum einen sind es die biologischen Faktoren. Je mehr Testosteron, desto schlechter haben die Leute in der Studie abgeschnitten. Aber auch soziale Faktoren spielen eine Rolle. Das teilweise noch fest verankerte klassische Bild einer emotionalen Frau wird schon im Kindesalter aufgegriffen und versucht diesem zu entsprechen. Doch es kommt noch etwas dazu, sagt Psychologin Almut Hellwig.
Almut Hellwig: Es liegt nahe sich mit einem Thema zu beschäftigen, wenn man zu einer Gruppe gehört, die davon häufiger betroffen ist. Das Hören dieser Podcasts kann helfen Ängste zu regulieren, in dem das Bewusstsein für eine frühzeitige Erkennung potenzieller Gefahren geschärft wird. Der Erkenntnisgewinn ist dabei umso höher, je stärker die Identifikation mit dem Opfer ist. Und die Opfer sind häufig Frauen, häufig junge Frauen.
Malou: Laut einer Studie des Bundeskriminalamts und der Länder Polizeien sind mehr Frauen von der Angst geplagt als Männer. Hier geht es um die Angst im eigenen Wohngebiet, in den öffentlichen Verkehrsmitteln und die Vermeidung bestimmter Orte wegen der zu großen Angst. Was könnte mir allein als Frau dort passieren? Sollte ich das Risiko eingehen? Und gegen diese Angst sollen True Crime Podcasts anscheinend helfen. Oder können die vielen schlimmen Geschichten die Angst doch eher verschlimmern?
Almut Hellwig: Sicherlich ist eine erhöhte Achtsamkeit auf potenziell gefährdende Situationen nicht verkehrt, solange sie ein gesundes Ausmaß hat. Es ist gut achtsam zu sein, aber eine übertriebene Achtsamkeit und Vorsicht und daraus resultierendes Vermeidungsverhalten ist natürlich auch nicht zielführend. Die Schwere und Häufigkeit der Delikte werden massiv überschätzt, was wiederum die Kriminalitätsfurcht erhöhen kann und die wahrgenommene Viktimisierungswahrscheinlichkeit erhöhen kann.
Stefanie: Solange wie du nicht mit Herzklopfen und Schweißausbrüchen abends mit dem Hund spazieren gehst, ist es glaube ich in Ordnung, wenn du ein gewisses Maß an gesunder Vorsicht einfach hast.
Malou: Bleiben wir mal bei dem Vergleich der positiven und negativen Auswirkungen rund um den Hype True Crime und versuchen herauszufiltern, welche Seite überwiegt.
Almut Hellwig: Wenn es einem Podcast oder eben auch einer Dokumentation gelingt einen Fall sachlich und faktenbasiert darzustellen, kann das vielleicht dazu beitragen eine initiale Stigmatisierung von Menschen zu verhindern und kann möglicherweise auch helfen zu verstehen, in welchen Extremsituationen sich Menschen befinden können, aus denen heraus dann Straftaten begangen werden. Und es geht gar nicht darum eine Tat zu entschuldigen aber vorschnelles Urteilen und Spekulationen sollten in jedem Fall vermieden werden.
Malou: Zum Beispiel psychische Erkrankungen oder eine furchtbare und unfassbar prägende Kindheit der Täter:innen muss bei der Auseinandersetzung von wahren Verbrechen berücksichtigt werden.
Stefanie: Und dann kommt natürlich noch hinzu, dass gerade bei Kriminalfällen hast du natürlich einen Blick wirklich auf die dunkelsten Aspekte der menschlichen Psyche und wirst manchmal selber angehalten über dein eigenes Verständnis von Moral, Gerechtigkeit und Sicherheit nachzudenken.
Malou: Dass was Podcasterin Stefanie Plugge-Henze sagt klingt fast, als hätten True Crime Podcasts einen unausgesprochenen Bildungsauftrag. Aber sie betont noch einmal, wie wichtig es ist, wie ein Fall erzählt und der Zuhörerschaft nahegebracht wird.
Stefanie: Es ist eigentlich oft nicht entscheidend, wie ein Mensch ums Leben gekommen ist. Das ist für warum das passiert ist, ist das nicht entscheidend. Und dann kannst du das in einem Satz packen: „Bestimmte Gewalteinwirkung. Punkt!“. Der Hörer hat keinen Mehrwert davon, wenn ich dem da in den allerbrutalsten Szenen schildere, wie das Opfer umgekommen ist, Punkt Eins. Punkt Zwei muss ich auch immer damit rechnen, dass Angehörige diesen Podcast hören. Und das letzte, was ich möchte, ist, dass ich da irgendjemanden retraumatisiere, weil der sich meinen Podcast angehört hat.
Malou: Genau das ist auch ein Grund dafür, warum True Crime Podcasts immer wieder in der Kritik stehen. Zurecht. Und auch ich selbst werde immer kritischer, was die Aufarbeitung von Fällen in True Crime Podcasts angeht.
Stefanie: Wenn du als Laie in dem Bereich was machst, dann musst du halt auch sagen: „Ok, hier habe ich eine Grenze erreicht. Das mache ich jetzt nicht.“
Malou: Bei so vielen Hosts von True Crime Podcasts gibt es ganz viele, die nicht vom Fach sind und sich ganz gerne Mal in ihrer Freizeit mit Kriminalfällen beschäftigen, aber bei solchen sensiblen Themen muss professionell recherchiert und dementsprechend damit umgegangen werden. Da reicht keine Hobbypsycholog:innen-Ausbildung oder der Fakt, dass man sich schon alle Netflix True Crime Dokus angeschaut hat. Almut Hellwig ist da der selben Meinung.
Almut Hellwig: Wenn man die Themen sachlich, sensibel und differenziert aufarbeitet und Rücksicht nimmt auf Details, auf Spekulationen, auf die Situation des Opfers und der Angehörigen. Wenn man da ein gutes Maß findet, dann spricht ja nichts dagegen. Aber ich weiß nicht, wie leicht das ist.
Malou: Podcast-Produzentin Stefanie Plugge-Henze stand in den vielen Jahren ihrer Tätigkeit auch schonmal zwischen der Entscheidung: Soll ich diesen brutalen Fall aufarbeiten, weil er sicherlich meinen Zuhörer:innen gefällt oder halten mich mein Gewissen und vor allem das Verantwortungsbewusstsein davon ab?
Stefanie: Es gab durchaus schon Fälle, wo ich recherchiert habe und die einfach so grausam waren, dass ich das Gefühl hatte, dass das für meine Zuhörer potenziell schädlich sein könnte, wenn man das jetzt wirklich so erzählt. Du musst halt immer gucken, dass du respektvoll bleibst und den Opfern und den Familien einfach eine Stimme gibst, aber ohne ihre Erfahrungen zu sensationalisieren und das ist natürlich ein schmaler Grat, aber das musst du einfach hinbekommen und, wenn du merkst du schaffst das nicht, dann musst du einfach die Recherche abbrechen.
Malou: Wie schlimm muss es für die Opfer und Angehörigen sein, so etwas zu erleben und dann mitbekommen zu müssen, dass diese traumatischen Erlebnisse von fremden Menschen in einem Podcast erzählt werden, um Leute einfach nur zu unterhalten. Also ich muss mir da auch an die eigene Nase fassen. Ich denke mir einfach: Yes neue Podcast Folge online und vergesse oder verdränge, dass da echte Menschen mit den unvorstellbarsten Geschichten hinter stecken. Das betont auch nochmal Psychologin Almut Hellwig.
Almut Hellwig: Da muss man eben wirklich vorsichtig sein. Gerade im Bereich von Traumatisierungen, da ins Blaue hinein zu fragen. Das kann wirklich Schaden anrichten. Also man sollte im Hinterkopf behalten, dass gerade die Opfer einen besonders sensiblen Umgang mit der Tat im Rahmen der medialen Aufbereitung benötigen.
Malou: Das ist nicht nur wichtig für die Produzent:innen von True Crime Podcasts sondern auch für uns Hörer:innen.
Almut Hellwig: Gleichzeitig führt die ständige und wiederholte Beschäftigung mit gleichartigen Inhalten, also wenn man wirklich nur True Crime Formate konsumiert, zu einem gewissen Habituationseffekt, also zu einer Gewöhnung und zu einer Desensibilisierung.
Malou: Also je mehr gewalthaltige Medien wir konsumieren, desto höher ist das Risiko, dass wir als Hörer:innen immer weniger Empathie für die Opfer aufbringen und weniger emotional reagieren, wenn wir tatsächlich mit Gewalt konfrontiert werden.
Almut Hellwig: Und besonders bedenklich fände ich in diesem Zusammenhang eine Art Abstumpfung also, wenn Schock und Abstoßung sich mit zunehmender Exposition abschwächen und überspitzt ausgedrückt, das Böse seinen Schrecken verliert. Also, wenn ein gewisses Maß an Gewalt normal wird und die Toleranz von Gewalt steigt.
Malou: Ihr habt’s gehört: Podcaster:innen müssen die Fälle gut recherchiert und vor allem sensibel genug aufarbeiten. Hier gilt nicht: Welches Verbrechen polarisiert am meisten und, wie kann ich es noch schockierender darstellen. Als Hörer:innen müssen wir darauf achten, wie wir auf solche Inhalte reagieren: Triggern sie uns, kann es uns Gefahren sehen lassen wo gar keine sind oder verharmlosen wir sogar Gewalt? All das hat gravierende Folgen auf unsere eigene Wahrnehmung und unser Leben. Und, dass hinter allen Täter:innen und Opfern Menschen stecken, darf niemals in Vergessenheit geraten.
Also, beim nächsten Mal, wenn ihr beim Abwasch den neuesten True Crime-Fall hört oder euch beim Joggen über die dunklen Seiten der menschlichen Psyche informiert, denkt dran: Ihr seid nicht allein. Wir sind alle ein bisschen verrückt nach diesen Geschichten – und das ist okay, solange wir uns unserer Verantwortung bewusst sind. Ich weiß jetzt auf jeden Fall, was alles mit meinem auch schon sehr starken Konsum von True Crime Stories einhergeht, und drücke nicht mehr, ohne nachzudenken auf Play. Ganz ohne True Crime Podcasts geht es dann auch nicht bei mir, aber in Zukunft werde ich immer mit einem neugierigen und einem kritischen Ohr zuhören.