Katharina und Isabelle haben beide (enge) Freunde, von denen Sie erst vor Kurzem erfahren haben, dass sie aktiv in der Fetisch-Szene sind. Beide ertappen sich dabei auf Vorurteile und Clichés gegenüber diesen Gruppen zurückzufallen. Um diese Vorurteile abzubauen, begeben sie sich erst in einen offenen Austausch mit Puppy-Player Sunny und lernen über ihn die Petplay-Community kennen und was Petplay ausmacht. Anschließend springen beide ins kalte Wasser und verbringen einen Abend in einem aktiven BDSM-Verein und lernen in diesem Zusammenhang Paul kennen. Paul gibt ihnen einen noch tieferen Einblick in die BDSM-Szene und hilft den beiden, mit Clichés und Unwahrheiten aufzuräumen.
Paul: “Lust und Schmerz liegen sehr nah beieinander”
Sunny: “Es kommt so dem nächsten einer Hypnose nahe, was ich mir jetzt vorstellen könnte”
Paul: “Es ist wichtig, dass beide den Spaß daran haben, das ist auf jeden Fall im vorrang”
Kathi: Von Zart bis Hart: Kinks und ihre (K)ommunities) mit Kathy
Isabelle: Und Isabelle. Heute ist unser Thema BDSM und Puppy-Play. Ganz vorab wir sprechen hier offen und ehrlich über Gewalt und sexuelle Gewalt. Zwar in einem einvernehmlichen Verhältnis, trotzdem sei an dieser Stelle eine klare Triggerwarnung ausgesprochen.
Einige Hörer*innen fragen sich bestimmt: Warum über Fetische reden? Und wie sind wir eigentlich auf das Thema gekommen?
Kathi: Ja, also eigentlich haben wir ja nicht das Thema gefunden, sondern das Thema hat uns gefunden. Ich habe ja eine neue Partnerin und da lernt man den Freundeskreis kennen.
Isabelle: Wie es so ist, ja.
Kathi: Ja, und dann haben wir uns in einem Kaffee in München getroffen mit Ihrem besten Freund, den hab ich da kennengelernt. Er heißt Sunny.
Isabelle: Und da habt ihr direkt über Fetische geredet?
Kathi: Nee, ne, ne, also eigentlich haben wir über die Queere Szene in München geredet. Aber wie es dann halt so ist, kommt man von einem Thema zum anderen. Und natürlich ich bin ja auch Journalistin und da musste ich dann natürlich auch immer nachfragen, was, wie, wo oder wann. Er hat mir dann erzählt, dass er ein Puppy ist und damit ist nicht die Verniedlichung vom Wort “Papa” gemeint, sondern der englische Begriff für Welpe. Er hat auch erzählt, er sei sehr aktiv in der Petplay Community, also die Rollenspiel-Szene, bei der man die Rolle eines Tieres einnimmt und da habe ich instinktiv gedacht - “What?! Das hätte ich irgendwie niemals von ihm gedacht.” Was natürlich Quatsch ist, weil das sieht man einem Menschen ja nicht an und trotzdem war das mein erster Reflex.
Isabelle: Ja, das sind dann irgendwie doch diese Vorurteile, die man irgendwie unterbewusst hat. Mir ging es ja tatsächlich ähnlich mit ner guten Freundin, die ich schon seit Jahren kenne. Da hab ich auch vor kurzem zufällig erfahren, dass sie einen Kink - also einen Fetisch - hat und relativ aktiv in der BDSM Szene ist. Da war auch mein erster Gedanke auch: ‘Echt? Hätte ich nie erwartet.’
Kathi: Man merkt dann halt auch erstmal, dass man überhaupt keinen Plan hat.
Isabelle: Ja, total! Also wirklich, wir hatten keine Vorstellung davon außer halt: Ach die verkleiden sich und es ist irgendwie was “perverses” und das ist ja absoluter Herd für Vorurteile und Stereotype weswegen du dich dann ja auch nochmal mit Sunny getroffen hast, um ihn und die Community besser zu verstehen und kennenzulernen.
Kathi: Ein sehr stylischer junger Mittezwanzigjähriger in sportlichen Klamotten macht die Tür auf und innerhalb von einer halben Minute sitze ich entspannt auf der Couch mit einem Keks im Mund und habe ein Wasser in der Hand.
Isabelle: Ja, das hört sich zumindest an, als ob du da gut versorgt worden wärst.
Kathi: Ja total und dann sitzt da jetzt also ein ganz normaler Junge von nebenan neben mir und erzählt, dass er auf Rollenspiele mit Tierverkleidungen steht? Kann er denn auch verstehen, dass man sich erstmal wundert?
Sunny: “Man kann zuerst mal sagen Petplay in General ist eher, glaube ich, als Kink betrachtet so in der Öffentlichkeit. Also wenn man Petplay hört, denken wahrscheinlich die meisten eher an ja Typen die auf ihren Knien irgendwie so vor einer Domina oder was weiß ich stehen und so ein bisschen betteln und hecheln und so tun, als wären sie ein Hund und an der Leine geführt werden durch die Gegend.”
Isabelle: Ja, muss zugeben, dass war eigentlich auch so meine Vorstellung wie das im Pet Play so abläuft, aber so wie sich das bei Sunny anhört scheint, dass ja doch auch anders zu sein.
Kathi: Ja, also Petplay war für mich auch nur als Fetisch bekannt, deswegen habe ich mich sehr gewundert als er mir von "Safe for Work”-Events erzählt hat, also übersetzt “für den Arbeitsplatzgeeignet” und in dem Sinne bedeutet es quasi das dort nichts anstößiges oder sexuelles passiert. Also es sind Treffen bei den es nur darum geht unter gleichgesinnten zu sein.
Sunny: “Es gibt auch rein Safe for Work oder halt so rein non Kink oder halt Non Sexual Events, bei denen es dann auch wirklich so einfach nur darum geht. Ja, es wird ein Bällebad aufgestellt oder die haben eine freie Wiese, bei der man dann quasi Frisbee werfen kann und sich die Leute so ausstollen können.”
Isabelle: Ok, er geht dann zu diesen Events um dort den Puppy zu spielen, ohne dabei auf Sex aus zu sein. Aber warum? Welche Befriedigung zieht er für sich selbst dann daraus?
Kathi: Ja, also einmal ist da der soziale Aspekt für ihn, aber dann könnte man sich natürlich auch anderen Hobbys oder Gruppen haben. Ich weiß nicht, Töpfern oder so. Aber, was ihn so begeistert und bei diesen Tier-Rollenspielen etwas, das allgemein ein großes Thema ist, und zwar der sogenannte Headspace.
Isabelle: Headspace?
Kathi: Ja, genau "Headspace". Das ist ein bisschen schwierig jetzt eine direkte deutsche Übersetzung dafür zu finden, man könnte sagen "mentaler Zustand" oder "geistiger Zustand". Dabei taucht die Person in die Rolle des Tieres ist komplett ein und lässt menschliche Gedanken und Verhalten los und das führt quasi zu einem Gefühl der Freiheit und Entspannung. Manchmal ist dieser Zustand dann so intensiv, dass die Person selber ohne Hilfe von außen gar nicht mehr in das Mensch-sein zurück kommt.
Sunny: “Mir gings zum Beispiel einmal schon einmal so, dass ich in unserer Bar, wo wir halt öfters abhängen und einer hat mir quasi so den Bauch gestreichelt und ich war da so wirklich komplett weggebeamt und ich dachte mir, bevor ich zu dem übergegangen bin, ich wollte nur kurz Hallo sagen, dachte ich mir so okay, ich wollte mir noch was zu trinken holen. Ich hab jetzt eigentlich gerade richtig Durst und dann Dann krault er mir den Bauch und dann Oh ja und irgendwie so nach fünf Minuten denke ich mir so Ah, ich wollte es eigentlich so was zum Trinken holen und dann werde ich wieder so abgelenkt und dann rutsche ich vollkommen den Headspace rein und ich konnte nichts sagen. So kann ich kurz aufstehen, da musste der Typ, der mir den Bauch gekrault hat, so wirklich sagen: “Hey, okay, es ist alles in Ordnung, gerade so du, du schaust so öfter rüber in den Gang." Weil man ist ja wirklich so weg. Man kann sich das gar nicht vorstellen. Ich würde sagen, es kommt einer Hypnose am nächten, was ich mir jetzt vorstellen könnte. Wenn man dann da mal so richtig drin ist, dann ist es auch wirklich für die Leute halt so eine Transformation. Da kommt man dann auch gar nicht mehr so einfach raus. Da muss dann der Händler teilweise, wenn man zu tief im Headspace ist, auch eingreifen und den dann quasi manuell beenden.”
Isabelle: Echt faszinierend, manche gehen in die Sauna zum Entspannen und Sunny wird eben zum Puppy. Aber jetzt, wo ich ihm so zuhöre, wird mir erst klar, wie viel Denglisch er redet. Was hat er da gegen Ende gesagt? Handler?
Kathi: Ja, absolut! Viele Begriffe in der Szene sind auf Englisch, weil Puppy-Play und die Oberkategorie BDSM sind internationale Subkulturen und die haben sich quasi in verschiedenen Ländern gleichzeitig entwickelt.
Isabelle: Ah, also hat sich das einfach so etabliert, damit man sich auch international gut versteht untereinander.
Kathi: Absolut. Genau! Ich musste mir aber auch erstmal alle Begriffe erklären lassen. Ein 'Handler' ist die Person, die sich um das 'Tier' kümmert und es führt. Zum Beispiel also jemand, der auf so einem Treffen dem Puppy den Bauch streichelt. Ein 'Owner' ist jemand, der eine tiefere Bindung zu seinem 'Tier' hat, oft vergleichbar mit einer Partnerschaft, der ist dann auch in der Regel der
dominante Part. Es gibt sogar in der Szene 'Rudel' also eine Gruppe, die gemeinsam Puppy-Play ausüben, da gibt es dann auch Alphas, Betas also dominantere Puppys und weniger dominante.
Isabelle: Krass, das ist ja wirklich fast eine eigene Sprache!
Kathi: Ja, total also eine eigene Sprache und dann auch noch eigene Fashion.
Als ich ihn nach den Outfits für die Treffen frage, öffnet er voller Begeisterung seinen Schrank, greift sofort routiniert nach einem Kleiderbügel auf dem alles schön arrangiert ist. Ein Harness oder Brustgeschirr, eine Neoprenhaube im Hundedesign und ein Halsband.
Kathi (vor Ort, überrascht): 'Oh, ein Halsband.'
Kathi: Er legte es sich mit einem breiten Lächeln um und zeigte mir stolz die Maske, also seine “Puphood”.
Kathi: “Die ist ja jetzt auch in zwei Teile. Ich hätte gedacht, dass es direkt immer ein Teil, aber der kann man ja auch praktisch abklipsen. Die Schnauze jetzt.”
Sunny: “Ja, dass die Schnauzen vorne sind austauschbar. Also sprich der der einfachste Weg, sag ich mal zu Customizen ist sich so eine ich sag mal Standard Hood von der Stange zu holen und dann quasi vorne hin die Schnauzen auszutauschen. Also im Endeffekt für die, die jetzt quasi nicht sehen können, so eine Hood ist quasi eine Neoprenhaube, die dann quasi mehrere Teile
angenäht hat. Unter anderem dann halt. So bunte Augenbrauen, vorne natürlich die prägnante Schnauze und dann halt noch so zwei Öhrchen. Und das ist jetzt quasi so das Standardmodell. Und wenn man sich so eine Custom Hood holt, kann man ja zum Beispiel zwischen verschiedenen Ohren auswählen. Man kann verschiedene Schnauzen, Schnauzen, Längen und Designs auswählen.”
Eingesprochener E-Mail Verlauf zwischen Isabelle und Paul:
Anfrage:
“Sehr geehrte Damen und Herren, meine Name ist Isabelle Arnold ich arbeite an einem Podcast rund um das Thema "Kinks". In diesem Sinne wollte ich frage ob es in ihrem Verein eine Person gibt, die sich vorstellen könnte ein Interview zum Thema SM und die SM-Community zu führen. Das Interview könnten wir vor Ort, aber auch digital über Zoom oder per Telefon führen. Ich würde mich über Rückmeldung freuen. 🙂
Mit freundlichen Grüßen,
Isabelle Arnold”
Antwort:
“Hallo Frau Arnold, wir treffen uns heute Abend ab 20.00 Uhr in unserem Vereinskeller, wenn Sie Zeit haben,
können Sie gerne bei uns vorbei schauen und wir können mal über das Interview sprechen wie sie sich das vorstellen. Sie sind herzlich willkommen.
Mit besten Grüßen
Paul
1. Vorstand
Kathi: Das ging so schnell, aber wenn sich so
eine Chance ergibt, muss man einfach hin und
eine Erfahrung im BDSM-Keller zusammen
machen…-aus Recherche-Gründen.
Isabelle: Alles für die Recherche. (lach) Aber ich muss zugeben, ich war dann doch nervös. Das ging dann alles von jetzt auf gleich irgendwie. Plötzlich am selben Tag noch einen Abend im BDSM Verein verbringen. Rückblickend bin ich aber echt froh das wird es gewagt haben.
Kathi: Ja, war echt sehr nice. Wir hatten ja die Verabredung mit Paul, der uns durch den Abend, den Keller und seine Szene geführt hat. Aber davor hat man uns beiden die Nervosität schon angemerkt…
Kathi im Auto: Ich bin schon bisschen aufgeregt. Wie gehts dir Izzy?
Isabelle im Auto: Ich bin auf definitiv aufgeregt. Ich hab ja mit so BDSM noch überhaupt keine Erfahrungen gemacht, deshalb ich bin gespannt was wir das so zu sehen bekommen. Wir wurden auch schon vorgewarnt, dass natürlich wir da sind um uns zu unterhalten mit dem Vorstand vom Verein, aber um uns herum die Leute natürlich auch ihren Fetisch ausüben. Deshalb ich bin
gespannt was wir alles zu sehen bekommen und ähm ja…ich hoffe ich trete in keine Fettnäpfchen, weil man will ja die Leute da auch alle respektieren. Deshalb ich bin sehr nervös!
Kathi im Auto: Ja, ich bin tatsächlich auch nervös und ich bin einfach sehr gespannt. Es auch bestimmt tausende Fachbegriffe die ich nicht kenne, aber allein dass wir so spontan vorbeikommen, zeigt ja schon wie welcoming diese Subkultur ist. Ich bin sehr gespannt auf jeden Fall.
Kathi: So! Der Adler ist gelandet, sag ich ja ganz gerne. Wir sind angekommen. Wie findest du es denn jetzt hier geparkt zu sein? Was sagts du über die Gegend?
Isabelle: Ja, ich bin weiterhin nervös…Ich muss sage ich bin bisschen überrascht, weil ich hätte eigentlich so erwartet dass wir mitten in der City sind halt dass die leute da halt auch gut hin finden. aber wir sind tatsächlich am Stadtrand. In so einem ganz unscheinbaren Wohngebiet, also hier sind auch nur Wohnhäuser und ja mal so ein Restaurant oder mal ein kleiner Betrieb. Aber hier ist alles sehr ruhig, bescheiden, aber ich glaube da erwartet keiner dass hier so eine BDSM Keller direkt ums Eck ist.
Kathi: Ich glaub wir haben deutlich und oft genug rüber gebracht das wir nervös waren (lach). Aber als wir dann zur Adresse sind und geklingelt haben, wurde uns aufgebuzzert und wir konnten durch ein Gartentürchen in den Innenhof und dannstand da auch schon Paul.
Isabelle: Ja, Paul in hautenger Lederhose, Oberkörperfrei nur mit schwarzer Lederweste und Stilettos. Man hätte sich keinen besseren Begleiter für den Abend ausdenken können.
Kathi: Absolut! Mit all seiner Erfahrung und seiner Engelsgeduld hat er uns erstmal rum geführt und den gesamten Keller gezeigt! Und der war nun wirklich nicht klein.
Isabelle: Jede Stange, jede Fessel, jeder Hacken wurde uns erklärt. Die Leute da waren auch so unterschiedlich, aber alle waren willkommen. Ein richtiger Safe Space, deswegen wurden wir auch gebeten, an dem Abend direkt, keine Aufnahmen zu machen. Aber natürlich haben wir dann danach unsere Eindrücke aufgenommen. Aber während Kathi unmittelbar nach dem Verlassen sehr
professionell angefangen hat, die Räumlichkeiten zu beschreiben, war meine Reaktion etwas anders.
Kathi: Das ist so ein bisschen Kellergewölbe artig.
Isabelle: Also ich bin überrascht, dass du jetzt hier direkt in die harte journalistische…Ich muss erstmal sagen “Wow! Wow!”. Das ist einfach…Also wir waren jetzt - es ist jetzt 10 Uhr um 8 Uhr sind wir angekommen - gute 2 Stunden waren wir jetzt
da drin und gegen Anfang wars alles noch relativ ruhig. Die Leute haben sich unterhalten, aber jetzt gegen Ende hin, da wurd’s heiß.
Kathi: Ja, es wurde auf jedenfall heiß und man merkt mir auch an denke ich, dass ich versuche so professionell zu sein weil mein Umgang mit Sex doch verkrampfter ist als ich dachte, besonders in einer Gruppe und nicht irgendwie privat mit einem Partner, einer Partnerin
Isabelle: Da war ich auch echt überrascht! Ich weiß noch, dass meine Nervosität im Club schnell verflogen ist, aber bei dir ist sie doch den ganzen Abend über irgendwie geblieben. Das hab ich beider Barfrau auch zum Beispiel nochmal deutlich gemerkt
Kathi: Stimmt! Da hattest du mir ja im Auto auf dem Rückweg gesagt “Hast du gesehen, was auf den Brüsten von der nackten Barfrau stand?” und ich so “Hab ich mich nicht getraut hinzuschauen” (lach)
Isabelle: (lacht) Da stand übrigens “Anfassen ausdrücklich erwünscht” Noch mehr als von deiner anhaltenden Nervosität, war ich aber von der Atmosphäre im Club überrascht.
Also es war wirklich eine unglaubliche Erfahrung. Ich muss ehrlich sagen, ich kannte mich mit dem Thema ja vorher gar nicht aus. Ich habe gedacht, es geht direkt zur Sache, es wird irgendwie direkt gefesselt. Aber die saßen bestimmt ne stunde lang an der Bar, haben Bierchen getrunken, haben sich unterhalten und dann kam es wirklich erst im so verlauf der zweiten Stunde wo wir da waren, dass die leute sich langsam so in ihre eigenen ecken zurückgezogen haben und so angefangen haben. Manche haben sich dann an eine Gefängniszelle, die es da gab, gefesselt. Wie gesagt das eine Pärchen, die direkt neben uns ihren Spaß hatten also.. aber wow.. Ich kann immer nur noch wow sagen.
Kathi: Nach so zweieinhalb Stunden haben sich dann, aber die ersten Paare daran gemacht, miteinander zu spielen, wie es in der Szene heißt. Auch Paul wollte sich dann den Spielen des Abends widmen, aber wir haben ihn dann 3 Tage später zum ausführlichen Interview getroffen.
Paul: “Man nennt mich Paul und ich bin schon seit über 30 Jahren in der Szene und hier in dem Verein schon seit
gut 20 Jahren aktiv.”
Kathi: 30 Jahre… Sunny ist im Vergleich dazu wirklich ein absoluter Neuling.
Isabelle: In den Jahren in der Szene hat er schon so einiges erlebt. Aber auch wenn durch Fifty Shades of Grey die Szene etwas näher an den Mainstream gerückt wurde, erinnert sich Paul noch an ganz andere Zeiten.
Paul: “Also wenn man nochmal diese 20 Jahre zurückdenkt, früher war man wirklich nur so die schwarzen Schafe in der Gesellschaft, da war das alles ein bisschen verpönt. Es waren die Perversen und die haben sich dann hinter verschlossener Tür getroffen und da wurde es ein No Go, das irgendwo draußen publik zu machen.”
Isabelle: Fifty Shades of Grey hat BDSM also gesellschaftsfähiger gemacht. Paul hat uns aber auch erzählt, dass viele, die nach dem Erfolg der Filmreihe zu ihnen kamen, große Unterschiede zwischen den Filmen und der Realität feststellen mussten. Zum Beispiel liegt in den Filmen der Fokus besonders stark auf dem Schlagen oder dem Spanking, wie es in der Szene heißt. Dabei
ist BDSM viel mehr.
Paul: Also man darf nicht denken, bloß weil BDSM wird viel damit verbunden, dass es nur ums Schlagen geht, nur um brutal und Gewalt und und. Aber dieses Gebiet BDSM ist viel weitläufiger, es geht um Bondage mit dazu. Da wird überhaupt nicht geschlagen. Da geht es mehr um diese Fesselung, die auch ästhetisch ist, die auch erotisch ist, die auch vom Gefühl her ganz anders ist. Und es gibt noch gut SM dann auch, aber je nachdem wie stark es ausgeführt wird, es muss nicht immer brutal sein, wird viel in der Gesellschaft so publiziert, was eigentlich überhaupt nicht so ist. Es ist wie beim normalen Spiel auch Lust und
Schmerzen liegen sehr nah beieinander.
Kathi: Nichtsdestotrotz sind Schmerzen beim Spielen oft erwünscht. Aus hygienischen Gründen bringt jeder sein eigenes Spielzeug mit. Auch Paul hatte beim Interview seinen Koffer voller Equipment dabei und hat ein paar Dinge für uns demonstriert.
Paul: “Bei solchen Handschellen ist es wichtig, dass man sie leicht auf und zusperren kann und dass sie arretierbar sind, um eben solche Verletzungen zu vermeiden. Das ist so der Sound einer normalen Peitsche, die hört. Vom Schmerz her sage ich ein bisschen den oberflächlicher, den Schmerz. Es ist mir der brennender Schmerz. Die Haut rötet ihr leichter und hat noch nicht so diese Tiefenwirkung, die zum Beispiel ein Rohrstock verursacht. Der Rohrstock, man hört es auch schon, der klingt ganz anders und hat natürlich auch bei seinen Auswirkungen. Ja, anders wie die Peitsche ist das mehr der tiefgehende Schmerz.”
Kathi: Ich habe wirklich nicht erwartet, dass es einen so, ja wirklich, hörbaren Unterschied gibt.
Isabelle: Es war auch super interessant zu lernen, wie viel Wissen über den menschlichen Körper hinter dem Fetisch steckt. Paul hat uns beispielsweise erklärt, dass man nicht einfach wild drauf los schlagen kann. Bevor man mit dem Spanking beginnen kann, muss man die Haut erst einmal aufwärmen, da sonst ungewollte Verletzungen entstehen können.
Kathi: Ja, ich wusste nicht mal, dass kalte Haut schneller aufplatzt, obwohl ich Biologie studiert habe…Und eine weitere Transparenz Information: Als wir recherchiert haben, hast du ja die BDSM clubs angeschrieben und ich habe Swinger Clubs
angeschrieben, weil ich dachte wird schon ähnlich sein oder sogar das gleiche, aber tatsächlich kann man beide nicht automatisch als Synonym verwenden.
Paul: “Also Swinger und BDSM sind eigentlich schon sehr verschieden. Bei den Swingerclubs geht es halt trotzdem hauptsächlich um Sex. Man trifft sich mit verschiedenen Paaren, tauscht, wechselt und es geht hauptsächlich um Sex. Beim BDSM ist es anders, weil dieses Gebiet BDSM über Bondage, Spanking, Petplay. Alles Mögliche ist wesentlich weitläufig und ja, vielfältiger als die Swinger-Szene. Und ich sage mal, dass bei uns auch der sexuelle Aspekt an sich nicht so im Vordergrund steht wie bei den Swinger. Es ist eigentlich mehr das Spiel miteinander”
Kathi: Das sind alles Dinge, die ich als Außenstehende vor unseren Recherchen nie gewusst hätte oder nie einen Einblick bekommen hätte. Ich hab wirklich das Gefühl, wir sind in eine eigene Welt eingetaucht und haben für uns eine Subkultur entdeckt, die eigentlich Verborgenen bleibt.
Isabelle: Ja und wir haben ja auch gelernt, dass BDSM und Pet Play eine ganz eigene Ästhetik, Regeln und fast schon eigene Sprache haben. Es geht nicht nur um Praktiken, sondern auch um die Schönheit und die Kunstfertigkeit, die dahinter stecken.
Kathi: Ich hab zwar schon gedacht von Anfang an das ist irgendwie komisch wie ich direkt ein Bild, Clischés oder Vorurteile vor Augen habe, so ist Fetisch oder so sind die Leute die Fetische ausleben, aber wirklich vom Gegenteil überzeugt zu werden, hat richtig spaß gemacht. Also ich würde jedem raten einfach mit den Leuten wirklich ins Gespräch kommen und das auch über Sex.
Isabelle: Absolut! Und unsere Profis sind der gleichen Meinung.
Paul: “Wir raten einfach mal offen zu einem Treffen zu gehen, Die Leute, die anwesend sind, einfach mal zu fragen, wie sowas abläuft, wie man da am besten vorgeht und im Zweifelsfall dann auch mal mit jemanden ausprobiert, der erfahren ist, auf jeden Fall und nicht zu irgendjemanden geht, weil sonst könnte es die erste Erfahrung halt schon schief laufen und das ist dann immer
schwierig.”
Sunny: “Allen Interessierten würde ich einfach einmal vorschlagen: Schaut einfach mal in irgendeinen Kinkstore eurer Stadt rein und schaut mal, ob die Pupphods haben und probiert einfach mal eine an und schaut euch dann im Spiegel mal an und schaut, wie ihr euch dann so findet. Weil vielleicht wisst ihr noch gar nicht, dass er eigentlich so gerne ein Puppy seid und vielleicht erweckt das was in euch.”
Kathi: Also dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen, außer zuzustimmen.
Isabelle: Naja vielleicht schaffst du es ja dann jetzt auch jeder Nackten Barfrau, die es möchte auf die Brüste zu schauen.
Kathi: (lacht) Vielleicht in unserer Folge über Swingerclubs?