Spinnenphobie heilen - der Selbsttest

Minh-Thu-Tan-Spinnen

Im Selfmade-Experiment finden unsere RabbitRadio Reporter:innen heraus, ob Spinnenangst heilbar ist. Gegen seinen Menschenverstand stellt er sich seiner Angst und nimmt zum Schluss sogar eine Spinne auf die Hand. Wie ein Experte, Moritz Braun von der Universität Saarland aus Konfrontation Therapeutischer Sicht eingeschätzt – hört Ihr hier bei RabbitRadio.

Tim: Meine Oma hatte früher ein Spinnenbuch, wo von A bis Z alle möglichen Spinnen aufgelistet sind und immer wenn ich da bin, habe ich zwar reingeschaut, aber ich konnte es einfach nicht offen liegen lassen zum Beispiel. Als ich so fünf/sechs Jahre alt war und ich irgendwo reingekommen bin, musste es immer zu sein oder ich habe es sogar unter die Decke packen müssen. "Wenn ich mir aus dem Stegreif einen Traum aussuchen müsste, der ein Albtraum wäre, dann wäre es direkt eine Spinne oder ein Krabbeltier läuft mir in die Nase oder so.

ST: Tim ist wie viele andere Menschen kein Fan von Spinnen. Er hat eine spezifische Phobie. Laut Definition sind Phobien unbegründete und objektiv übertriebene Ängste. Die Arachnophobie ist die weltweit am meisten verbreitete spezifische Phobie, es gibt also viele Betroffene. In einem Selfmade-Experiment will ich mit Tim herausfinden, ob wir durch Konfrontation seine Spinnenangst heilen können. Und wir finden den richtigen Ort dafür: Die Insectophobie-Ausstellung. Eine Art mobiler Insekten- und Spinnentier-Zoo, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Insekten der Öffentlichkeit näherzubringen. Ende April findet die im Onoldiasaal in Ansbach statt.

Tim: Auf dem Weg hierher sind mir ein paar Plakate entgegen geschossen und ich dachte mir „Oh Gott. Warum habe Ich mir das angetan?"

ST: Alles, was kreucht und fleucht, ist hier in der Ausstellung zu sehen. Heuschrecken, Skorpione und natürlich auch Spinnen. Das klingt ganz schön angsteinflößend für jemanden mit Arachnophobie.

Tim: Ich würde schon sagen eine Acht, glaube ich. Eine Acht ist solide. Zehn ist: „Panik“ und eins ist: „chillo“.   Acht ist so: „Mal gucken ich bin noch nicht so überzeugt, was kommt, mal gucken. Dann gehen wir mal rein.

ATMO Gehen rein

ST: Damit Tim nicht gleich vor Schreck aus den Socken kippt, fangen wir langsam an. Im Vorraum gibt es zuallererst präparierte Spinnen im Glaskasten zu sehen.

Tim: Die sieht man auch haptisch die ganzen einzelnen Haare und wenn sie so präpariert sind, sehen die nicht lebend aus, aber auf dem Bild ist es  etwas anderes, da das keine Tiefe hat. Das ist schon beunruhigend, muss ich sagen.

ST: Jetzt steigern wir uns und  gehen wir ein Level höher. Wir betreten den eigentlichen Saal mit den lebendigen Spinnen.

Minh: Da stehen jetzt schon zwei kleine Mädchen mit ihren Handys davor. So angsteinflößend kann es ja nicht sein. Meinst du, wir sollen und ran wagen?

Tim: Ich würde sagen schon. Besonders wenn eine Glaswand dazwischen ist, kann ja nicht viel passieren.

Oh ne! Ich habe vergessen, wie das ist! Oh ne!

Die hier vorne ist einfach insane, haarig und hat so dicke, fette Fangzähne, die vorne so rot leuchten. Es ist wirklich… Wie lange mag sie sein, sieben Zentimeter würde ich schätzen oder so locker?

ST: Normalerweise gibt es im Onoldiasaal Sitzplätze für zirka 500 Personen. Tim und ich erinnern uns noch gut an den Saal, dort fand die Einführung am ersten Tag unseres Studiums statt. Heute sind statt Sitzreihen Tische aufgebaut. Auf den Tischen zirka 50 Terrarien mit verschiedenen Insekten.

Tim: Wir sind hier schon 15 Minuten oder so würde ich schätzen. Es ist schon besser, aber ich habe immer noch Angst vor Spinnen. Ich würde auch nicht unbedingt den Glaskasten anfassen wollen, ich weiß ja da kann nicht viel passieren und ich merke ja auch, dass die Spinne sich zurückgezogen hat und eher Angst vor den Besuchern und Besucherinnen hat.

ST: Warum Menschen vor Spinnen Angst haben, dazu gibt es verschiedene Theorien. Ein Grund dafür könnte sein, dass unsere Vorfahren sich vor gefährlichen Spinnen hüten mussten und diese Vorsicht von Generation zu Generation weitervererbt wurde.  Ein weiterer Ansatz ist das sogenannte Modelllernen. Dabei schaut sich das Kind den Umgang mit Spinnen bei den Eltern ab. Verhalten sich die Eltern gegenüber Spinnen ängstlich, übernehmen das meist auch die Kinder.

Minh: Dürfte Tim die Spinne auf die Hand nehmen?

Mitarbeiter: Natürlich darf er das. Also Tim.

Tim: Ist die Giftig?

Mitarbeiter: Wie die Wespe ungefähr.

Tim: Ahhhh!

Mitarbeiter: Du brauchst keine Angst haben. Kuck mal, wir machen seit 13 Jahren die Ausstellung und hier wurde noch nie jemand gebissen.

Tim: Oh Gott.

Mitarbeiter: Hände so nebeneinander. Stell dir einfach vor, das ist wie ein Hamster mit acht Beinen.

Tim: Oh Gott.

ST: Was wir heute hier machen, ist Tim mit seiner Angst zu konfrontieren. Das gibt es auch als professionelle Therapie, die sogenannte Konfrontationstherapie. Dabei sollen die Betroffenen neue und neutrale Erfahrungen machen. Diese neuen Erfahrungen sollen die alten negativen Gedanken ersetzen.

Mitarbeiter: Man sieht bei Hildegard ganz gut, dass sie ist relaxt dasitzt und überhaupt nicht aggressiv ist. Er wahrscheinlich mehr Angst hat, als die Spinne.

Minh: Tim, wie findest du denn unsere süße Hildegard?

Tim: Hildegard hat gerade ihr eines Bein angehoben, ich habe keine Ahnung was das heißen soll. Sie ist schon relaxt auf jeden Fall. Immer wenn sie sich bewegt, denke ich mir: "Was machst du gerade Chef?" Und sie fühlt sich auch relativ angenehm an. Sie ist ein Ticken warm und haarig. Sie ist auch sehr leicht, ich dachte, sie ist ein Ticken schwerer ist.

ST: Für eine bessere Einschätzung lassen wir den Tag Revue passieren und ziehen eine professionelle Meinung hinzu. Moritz Braun ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Saarland.

M. Braun: Unsere Erfahrung aber ist, das wenn die  betroffenen in der Situation bleiben, zum Beispiel mit der Begleitung eines Therapeuten oder einer Freundin, wie jetzt über euch in dem Fall oder auch alleine, dass die Angst auf jeden Fall dieses hohe Niveau erreicht zu Beginn, aber dann langsam abnimmt und immer weiter abnimmt.

ST: Tim hat einen Riesenschritt gemacht, indem er seiner Angst vor Spinnen entgegengetreten ist. Doch damit ist es leider noch nicht getan.

M. Braun: Wenn ich jetzt diese eine Erfahrung die du Tim gemacht hast, auf der Aufstellung, und du dich jetzt für die nächsten zwei Jahre wieder völlig fernhältst von Spinnen, treten die negativen Gedanken wieder in Vordergrund und die potenziell negativen Erfahrungen, die du Mal gemacht hast mit Spinnen, die werden präsenter wieder.
Und was wir mitgeben, ist, dass sie sich als Hausaufgaben sozusagen jetzt regelmäßig im Alltag mit Spinnen auseinandersetzen sollen. Dass sie also beim nächsten Mal, wenn sie zum Beispiel in der Wohnung eine Spinne sitzen sehen, nicht den Partner oder die Partnerin rufen und die Person dann darum bitten, die Spinne zu entfernen, sondern selbst hingehen.

ST: Zusammenfassend muss hier nochmal betont werden: Unser Selfmade EXPERIMENT ist kein Ersatz für eine professionelle Therapie. Eine professionelle Therapie sollte unbedingt dann in Anspruch genommen werden, wenn der Leidensdruck der Betroffenen Person sehr hoch ist.

Minh: Deshalb, Tim, jetzt noch zum Abschluss, wie fandest du den Tag heute?

Tim: Jetzt im Nachhinein muss ich sagen, dass es eigentlich schon eine bereichernde Erfahrung war. Und ich dachte, es wäre nur ein Schock-Ding dahin hinzugehen, und sich irgendwie mit seiner Angst konfrontiert zu sehen und man hat am Ende noch mehr Angst als davor, aber das war gar nicht so. Im Endeffekt war das wirklich hilfreich.

Unser Musik-Mix

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