Rechtsruck bei der Wahl - Interview mit Ulrich Rach zur Lage in Ansbach

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Ulrich Rach ist Journalist und Schriftsteller, er lebt in Ansbach, und er ist obendrein Sprecher der Bürgerbewegung für Menschenwürde in Mittelfranken e.V.. Im Interview spricht er darüber, wie sich die politische Landschaft in Ansbach verändert hat, welche Herausforderungen und Maßnahmen es im Kampf gegen Rechtsextremismus gibt und wie der Umgang mit der NS-Zeit gewesen war und ist.

Lars: Herr Rach, bei der Europawahl 2024 haben in der Stadt Ansbach 15,8 Prozent der Wähler die AfD gewählt. Also ungefähr genauso viele wie im bundesweiten Schnitt, aber 3,2 Prozent mehr als bayernweit. Wie bewerten Sie dieses Ergebnis?

Ulrich Rach: Ja, das ist eigentlich doch ein Durchschnittsergebnis, wenn man es bundesweit sieht und natürlich ist es eine Katastrophe, also aus meiner Sicht und auf die Zukunft bezogen, aber im Prinzip ist es ein relativ normales Ergebnis und das überrascht mich nicht.

Lars: Wie schätzen Sie denn die Salonfähigkeit des Rechtsextremismus in Ansbach ein? Gibt es da eine wachsende Akzeptanz?

Rach: Wir haben jetzt sehr viel Erfahrung in der Bürgerbewegung von Menschenwürde mit Rechtsextremen, die uns ja auch, bisschen manchmal an den Kragen gehen und mit Anrufen und auf der Straße an Pöbeleien und so was. Aber die Salonfähigkeit als solche, die ist im politischen Bereich inzwischen schon gewachsen. Ich erinnere nur daran, dass die Freien Wähler und die Ansbacher der AfD Beifall geklatscht haben in der Stadtratssitzung. Das ist für mich unglaublich.

Lars: Sie haben sich ja intensiv eben zur NS Vergangenheit Ansbachs beschäftigt und auch geforscht. Was sind denn einige der erschütterndsten Ereignisse oder Erkenntnisse aus Ihrer Arbeit?

Rach: Gut, das Erschütterndste ist, dass Ansbach schon viel früher als andere Städte einen großen Anteil von NSDAP Wählern hatten und dass sie dann ja einen großen Rückhalt auch für sich verbuchen konnten und dann machen konnten letztendlich, was sie wollten und nichts ist passiert. Ich erinnere nur an das heutige Bezirkskrankenhaus, damals Heil- und Pflegeanstalt, wo 3.000 Menschen regelrecht ermordet worden sind. Und die Nachbarschaft hat es hingenommen, offenbar oder die haben nach dem Krieg gesagt, wir haben hier von nichts gewusst, aber das ist beweisbar. Das ist nicht so.

Lars: Und dass die Stimmen der AfD jetzt nicht ganz so hoch sind. Woran liegt das?

Rach: Ja, nicht ganz so hoch. Ich würde sagen, die sind im Durchschnitt. Schon seit ich mich mit dem Rechtsextremismus befasse, steht eine Tatsache im Raum, dass einfach bundesweit 12 Prozent der Menschen Rechtsextreme sind, rechtsextrem denken, jetzt nicht sind gleich, denken rechtsextrem und 8 Prozent hin und wieder rechtsextrem denken. Das ist ein Potenzial von 20 Prozent an Menschen sind, die rechtes Gedankengut pflegen und da ist Ansbach einfach im Durchschnitt.

Lars: Wir haben gerade auch ein bisschen über die Vergangenheit gesprochen. Welche Auswirkungen hat denn diese Vergangenheit auch heute noch auf die politische Kultur in Ansbach?

Rach: Da muss ich jetzt eigentlich mal sagen, das hat sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten seit den 1990er-Jahren doch erheblich verbessert. Als ich als junger Journalist hier nach Ansbach kam, da habe ich mir die Finger wund geschrieben für eine Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus und bin nur auf Ablehnung und Widerstand gestoßen im politischen Bereich. Da hat man halt gesagt, ach, nicht immer das alte Zeug aufwärmen, irgendwann müssen wir das alles mal vergessen. Ja und überhaupt, ich erinnere jetzt an Robert Limpert auch, den Widerstandskämpfer, der am letzten Kriegstag hingerichtet wurde, da hieß es dann, ja, der hat ein Wehrmachtskabel durchschnitten und damit war er ein Straftäter in dieser Zeit und einem Straftäter errichten wir kein Denkmal. Also das war noch in den 1970er- 80er-Jahren die Denkweise der Politiker.

Lars: Sie haben ja auch in Ihren Veröffentlichungen viel darüber geschrieben, dass die NS-Zeit ja auch totgeschwiegen worden ist in Ansbach. Der Umgang hat sich dann jetzt definitiv in dem Sinne verbessert und auch verändert?

Rach: Der hat sich seit den 1990er Jahren schon verändert. Ja, das war eigentlich, hing zusammen mit den politischen Verhältnissen, die sich auch verändert hatten und damit, dass eine Generation an Stadträten nicht mehr da war, die noch aus der NS-Zeit stammten.

Lars: Und in Anbetracht jetzt auch dessen, dass viele junge Menschen die AfD gewählt haben bei der Europawahl. Welche Rolle spielt die Bildungs- und Aufklärungsarbeit gegen Rechtsextremismus?

Rach: Ja, wäre schön, wenn die besser liefe als sie läuft. Ich habe halt vor allem Bedenken, was die neuen Medien betrifft, dass die jungen Leute sich halt aus nur oder fast ausschließlich aus den neuen Medien informieren. Die Zeitungen, die wir hier haben, beispielsweise oder auch Rundfunk, Fernsehen, die sind ja ganz anders gepolt. Aber diese Informationen, die dort veröffentlicht werden, die kriegen ja die jungen Menschen zum großen Teil gar nicht und das sind die, die dann AfD wählen. Ich habe gerade gestern so ein Erlebnis gehabt mit vier jungen Leuten, die sich darüber unterhalten haben, welche Form des Regierens ist weltweit die Beste? Es ist die Demokratie und es gibt halt auch noch andere, also da kommen wir gar nicht auf die Idee, dass es nur eine Form gibt, nämlich die Demokratie, sondern da wird schon drüber diskutiert, och, vielleicht ist der Putin gar nicht so schlecht.

Lars: Wie sieht denn Bildungsarbeit beispielsweise aus, die funktionieren kann?

Rach: Ja, Bildungsarbeit muss eigentlich weitgehend über die Schulen gehen, wenn wir nicht in die Schulen kommen, wenn die Schulleiter kein Interesse zeigen oder selbst auch in den Schulen nicht viel passiert von dem Sozialkundeunterricht. Das ist halt ganz unterschiedlich. Also die Schulen spielen für mich bei der Aufklärung der Jugendlichen eine ganz, ganz wichtige Rolle. Zu Hause erfahren die, weiß ich nicht, wie zu Hause Politik diskutiert wird, zu meiner Zeit, zu meiner Kindheit und Jugendzeit haben wir ganz viel im Elternhaus politisiert, aber ich glaube, das ist heute gar nicht mehr der Fall.

Lars: Haben Sie Erfahrungen oder Wissen darüber, wie das in den Schulen in Ansbach aussieht oder gelebt wird?

Rach: Ja. Also da muss ich den Ansbacher Schulen trotz aller Skepsis ein großes Kompliment machen. Wir sind, also haben sehr viele Kontakte mit denen, ich halte dort selbst auch Vorträge, wir machen Aktionen gemeinsam, ich will jetzt keine Schule nennen, weil es geht natürlich vor allem um die weiterführenden Schulen und da sind die Gymnasien schon sehr, sehr interessiert, dass da Aufklärung geschieht und es passiert dann auch.

Lars: Wie sehen Sie denn die Zukunft der politischen Landschaft in Ansbach?

Rach: Ja, das ist ganz schwierig zu sagen. Es ist halt so, auch alle rechtsextremen Kräfte, die jemals so in der jüngeren Vergangenheit, sagen wir mal seit den 1970er-Jahren aus der Taufe gehoben worden sind, angefangen von den Republikanern über die NPD und was es sonst alles gab, die sind wieder in der Versenkung verschwunden. Dass jetzt die AfD es geschafft hat, doch ein relativ, ein sehr, sehr großes Potenzial für sich zu gewinnen, das ist mir schon anders als damals, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass wenn sich die politische Situation mal verändert, wenn vielleicht auch mal die Frage der Einwanderung, Zuwanderung im Griff ist, die haben ja eigentlich nichts zu bieten, die haben ja noch nie was gemacht. Die sprechen nur, die tun nicht, die sprechen nur.

Lars: Wie müssten denn vielleicht die anderen Parteien ihr Programm verändern, um da auch mitzuhelfen?

Rach: Ja gut, ich meine die anderen Parteien, die tun es ja schon. Die anderen Parteien, die gehen ja ihren Weg und ihren demokratischen Weg. Ich glaube, mehr kann man eigentlich gar nicht tun, weil ich finde es nur ganz schlimm, wie in dem Fall mit dem Beifall für die AfD im Stadtrat, wenn man sich mit denen solidarisiert. Man kann nur hoffen, dass eines Tages dieser Berg zusammenfällt.

Lars: Und ihr Appell an die Ansbacher, vor allem die jungen Bürger?

Rach: Ja, der Appell kann nur lauten, wenn es um die Sache geht, stellt euch zur Demokratie. Schaut euch genau das an, was die AfD beispielsweise sagt, was Björn Höcke sagt. Björn Höcke der ja eigentlich die schillernde Figur in der AfD ist und die, die auch was zu sagen hat, der ein Faschist ist ohnegleichen und der uns in ein Naziland führen will, das sollten sich die jungen Leute mal angucken und zwar genau angucken.

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