Bündnis Nazistopp

Sprechchor:
Wehrt euch, leistet Widerstand, gegen den Faschismus hier im Land - auf die Barrikaden...

Finn:
Es ist ein eisiger Samstag, der 20. Januar 2024, ein Uhr mittags. Das Nürnberger Bündnis Nazistopp hat zum Protest gegen den Faschismus aufgerufen. Schon auf dem Weg von Zirndorf nach Nürnberg begegnen mir die ersten Demoplakate. „Das B in AfD steht für Bildung“ steht auf dem Schild einer etwa 16-jährigen, die neben mir am Bahnsteig steht. Trotz der Kälte füllt sich der Willy-Brandt-Platz in Nürnberg - direkt vor dem Büro der lokalen AfD.
Als ich mich dem Platz nähere, wird die Menschenmenge zum dichten Dschungel. Der LKW mit der Bühne ist kaum zu erkennen. Dabei soll es erst in einer halben Stunde losgehen. Ich frage mich: Wer sind diese Menschen und warum sind sie hier? Ich mische mich unter die Demonstrierenden und finde mich direkt neben Diana Liberova wieder. Sie ist Stadträtin in Nürnberg.

Diana Liberova:
Ja, ich bin hier, weil es für mich eine Verpflichtung ist, gegen die Feinde der Demokratie auf die Straße zu gehen. Auch für meine Überzeugung, für die vielfältige Gesellschaft dazustehen. Und dazustehen für die Werte  - nicht nur die Werte von Sozialdemokratie, sondern für die Werte von mir als Person. Ich freue mich, dass so viele Menschen heute gekommen sind. Das macht Mut.

Anna Heinze Lahçalar:
So, warum sind wir heute hier? Das wissen alle: wegen der AfD. Zuletzt jetzt diese Correctiv-Recherche, die hat uns glaub ich alle geschockt.

Finn:
Mit diesen Worten eröffnet Anna Heinze Lahçalar vom Nürnberger Bündnis Nazistopp die Versammlung. Mittlerweile ist der Willy-Brandt-Platz so voll, dass man sich kaum noch bewegen kann. Wohin ich schaue, sind nur Menschen. Ulrich Schneeweiß, Presseverantwortlicher und Redner der Demo, kommentiert das Bild so.

Ulrich Schneeweiß:
Ja, liebe Leute, ich bin echt baff. Ich bin schon lange in Nürnberg antifaschistisch aktiv - und habe auch noch nie so eine große Demonstration gegen Nazis gesehen - super, dass ihr da seid.

Finn:
Ernst Grube, ein Überlebender des Holocausts, betritt die Bühne. Der Applaus ist ohrenbetäubend. Dann herrscht Stille.

Ernst Grube:
Als ich diese Information über das Treffen in der Nähe von Potsdam gehört habe, war ich entsetzt und aufgewühlt. Weil ich als Kind einer jüdischen Mutter selbst Ausgrenzung, Entrechtung und Deportation während der Nazizeit erleben musste. Auf die Welt gekommen bin 1932 in München, vor der Machtübertragung an Hitler im Januar 1933.

Finn:
Er erzählt von der Verfolgung seiner Familie, wie ihre Rechte entzogen und sie getrennt wurden.

Ernst Grube:
Wir Kinder wurden zusammen mit unserer Mutter ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Nur mit viel Glück haben wir überlebt.

Finn:
Grube spricht außerdem von den Recherchen von CORRECTIV, die aufdeckten, dass sich im November 2023 rechtsextreme Personen aus verschiedenen Kreisen trafen. Und Grube erinnert an den rechtsextremen Terror.

Ernst Grube:
Wir müssen Druck machen auf Politik und Politiker*innen, dass ein Verbot der AfD mit entschlossener Sorgfalt vorangetrieben wird.

Finn:
Als Ernst Grube fertig ist, donnerte wieder Applaus. Veranstalterin Anna Heinze Lahçalar kommt zurück ans Mikro.

Anna Heinze Lahçalar:
Nie wieder ist jetzt! Und auch wenn ich nur die >paar< Tausende, die hier auf dem Platz hier sind, sehen kann, weiß ich, dass der Bahnhof voll ist, es geht bis zur Wöhrder-Wiese runter die komplette Marienstraße ist voll. Wir würden schätzen 20.000 Menschen in Nürnberg.

Finn:
20.000 Menschen? Von der Bühne aus brauche ich fast eine halbe Stunde, um einmal halb um den Platz zu laufen. Normalerweise schaffe ich das in unter zwei Minuten. In den Straßen rundherum das gleiche Bild: Menschenmengen, soweit ich schauen kann. An den Rändern der Demo stehen kleinere Gruppen von Demonstranten. Ein Mann fällt mir besonders ins Auge. Er hat zwei Plakate dabei. „I can’t believe i’m protesting for this shit in 2024“ und „Make Nazis afraid again“ – warum er auf die Demo gekommen ist, frage ich ihn:

Markus Meißner:
Weil mir der wachsende Rechtsextremismus hier in Deutschland sehr Sorgen macht. Die AfD auch schon seit vielen Jahren - und jetzt besonders durch diesen Correctiv Artikel ist jetzt denke ich endlich mal an der Zeit, da mal ordentlich dagegenzuhalten.

Finn:
Er hoffe, dass die Politiker in Richtung eines AfD Parteiverbot denken. Vor allem auch wegen der rechtsextremen Landesverbände der Partei. Auffällig ist: Fast jeder, mit dem ich auf der Demo spreche, vertritt diese Meinung. Und noch eine Sache fällt mir auf: Es sind ziemlich viele Familien mit Kindern dabei. Ich darf Tobias interviewen. Er ist mit seiner Mama Verena und seinem Papa Jakob auf der Demo.

Tobias & Jakob:
Wir sind hier, weil wir uns gedacht haben, dass jeder ein Recht hat hier zu sein. In Deutschland.

Ja, jeder hat das Recht hier - und es ist ein Zeichen, dass wir hier setzen wollen. Dass wir uns solidarisieren mit all jenen, die gegen Rechts aufstehen.

Finn:
Und wie sehen das die anderen Teilnehmer?

Demonstrant 1:
Wir müssen der AfD zeigen, dass es so nicht weitergeht. Ich habe sehr viele migrantische Freunde und die dürfen halt nicht abgeschoben werden.

Demonstrant 2:
Ich glaube, dass es wichtig ist, besonders hier vor einem Parteibüro zum Beispiel eine große Masse Menschen zu versammeln und einfach zu zeigen, dass es viele gibt. Es gibt ja auch viele Schilder, auf denen steht „wir sind mehr“. Und genau das eben zu demonstrieren.

Finn:
Diesem Statement schließt sich am Ende der Demo auch Ulrich Schneeweiß an. Er ist der Presseverantwortliche der Demo.

Ulrich  Schneeweiß:
Wir haben jetzt natürlich schon gedacht, die 1000 Leute, die wir angemeldet hatten ursprünglich, die werden wir wohl auf jeden Fall übertreffen. Gestern Abend in einer kurzen Videokonferenz, die wir hatten, haben wir gesagt "Na ja, vielleicht werden wir 10.000. Kann sein, wäre schön, würde uns sehr, sehr freuen. Mal sehen." Jetzt waren es heute 25.000. Mit was für einem Gefühl soll man nach Hause gehen? Das ist einfach geil.

25.000 Menschen auf den Straßen von Nürnberg demonstrieren gemeinsam gegen den Faschismus. Was treibt sie an? Die investigative Recherche des Correctivs, ein Überlebender des Holocausts, und eine wachsende Sorge vor rechtsextremem Gedankengut. Bei uns hört ihr, warum sich Tausende Nürnberger:innen gegen die AfD und für eine vielfältige Gesellschaft stark machen.

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