Clean Meat - Fleisch aus Muskelzellen

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Echtes Fleisch ganz ohne Tiersterben? Hört sich unmöglich an, doch ist seit Jahren ein großes Ziel in der globalen Lebensmittelforschung. Die vermeintliche Lösung trägt viele Namen: Clean Meat, kultiviertes Fleisch oder auch In-vitro-Fleisch. Durch Gewebezüchtung soll Fleisch im industriellen Maßstab hergestellt werden, ohne dafür ein Tier töten zu müssen. Unsere Autorin Leoni hat für uns herausgefunden, wie zukunftsfähig dieses Vorhaben ist.

Leoni: Stell dir vor: Du beißt in einen saftigen Rindfleisch-Burger (Geräusch Biss). Doch das Fleisch stammt nicht von einem Rind auf der Weide (Sound Muhen). Nein… Es wurde im Labor gezüchtet.

Einspieler

Leoni: Und so geht diese künstliche Fleischzucht: Zunächst werden aus dem Muskelgewebe von Tieren einzelne Zellen entnommen. Genauer: sogenannte Stammzellen. Sie werden in eine Nährflüssigkeit gegeben und können sich dort immer wieder teilen und vermehren. Es wächst in dieser Nährflüssigkeit etwas heran, das wie Fleisch aussieht. Richtiges Muskelgewebe mit einer faserigen Textur, ganz ähnlich wie beim lebenden Tier. Im Internet gibt es für dieses Produkt zahlreiche Begriffe. In-vitro-Fleisch, kultiviertes Fleisch, Clean Meat oder Laborfleisch. Juniorprofessorin Ramona Weinrich von der Universität Hohenheim sieht das kritisch.

Weinrich: In-vitro-Fleisch ist find ich deswegen, oder auch Laborfleisch, nicht so schön, weil das negativ besetzte Begriffe sind, die erstmal ja Abneigung erzeugen und deswegen auch nicht mehr neutral sind. Wenn man es rein rational betrachtet, kann man halt sagen: Mensch, nachher das Produkt ist genau das gleiche wie konventionell hergestelltes Fleisch, nur der Weg dahin war einfach anders. Es ist halt kein lebender Organismus gewesen, sondern das ist eben im Bioreaktor gewachsen.

Leoni: Geschmacklich und vom Aussehen her lässt sich das kultivierte Fleisch nicht vom konventionellen unterscheiden. Auch die ernährungsphysiologischen Eigenschaften, also wie gesund Fleisch für uns Menschen ist, sind gleich. Ramona Weinrich sieht jedoch beim kultivierten Fleisch einen klaren Vorteil:

Weinrich: Man hat eher noch den Vorteil, dass ich zum Beispiel den Fettgehalt     genauer steuern kann. Oder, wenn wir jetzt Grillsaison haben und plötzlich wollen alle Nacken auf den Grill legen. Dann ist das für die konventionelle Nutztierhaltung ein Problem, weil das Schwein hat ja nicht im Sommer plötzlich einen zehn Meter langen Nacken, nur weil alle Nacken essen wollen. Und hier bietet die Technologie eben eine große Chance, bedarfsgerechter produzieren zu können, um auch saisonale Schwankungen ausgleichen zu können.

Leoni: Schon im Jahr 2013 präsentierte der Wissenschaftler Mark Post den ersten künstlich hergestellten Burger. Für schlappe 250 Tausend Euro. Kaufen kann man das Cultured Meat jedoch bis heute noch nicht. Zumindest nicht in Deutschland. In den USA allerdings schon. Zwei Unternehmen haben dort die Zulassung, um das Fleisch zu verkaufen. Und auch in Singapur ist das kultivierte Fleisch erhältlich. In Form von Nuggets. Eine Portion kostet schlappe 20 Dollar. Doktor Anna Leikeim, Forscherin an der Universität Reutlingen, erwartet beim Preis zukünftig eine Veränderung.

Leikeim: Klar, ist jetzt momentan, wenn man sich das überlegt, noch viel, aber die ganzen Firmen und Startups, die es dazu gibt, die arbeiten auf alle Fälle daran, dass es günstiger wird, weil die wollen ja ihre Produkte auch verkaufen und anders wird das ja gar nicht möglich sein.

Leoni: Bis das Fleisch jedoch verkauft werden kann, sind einige Schritte notwendig. Lebensmittel aus Zell- und Gewebekulturen fallen in Deutschland nämlich unter die Novel-Food-Verordnung. Gezüchtetes Fleisch und Fisch aus dem Labor gelten somit als neuartige Lebensmittel und müssen vor ihrer Marktzulassung eine Reihe kritischer Tests bestehen. Bei einem Antrag auf Zulassung prüft die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA), ob die Produkte sicher sind. Für kommende Zulassungen ist die Behörde laut Leikeim vorbereitet.

Leikeim: Man kann als Firma da jetzt hingehen und versuchen, sein Produkt zuzulassen. Wird schätzungsweise sicherlich zwei bis vier Jahre dauern, bis das auf den Markt kommen darf. Es gibt aber Unternehmen in Deutschland, die sich damit befassen und die tatsächlich auch schon das ein oder andere Produkt in der Pipeline haben und auch schon verkaufen möchten. Bald. Aber halt nicht in Deutschland. Das ist ein bisschen schade, aber ich glaube, dass wir da schon in den nächsten 10 Jahren vielleicht mal was probieren können.

Leoni: Auch wenn es bis dahin noch etwas dauert: Am Erfolg der Alternative hat Dr. Leikeim keine Zweifel. Für die Akzeptanz ist ein Faktor jedoch besonders wichtig:

Leikeim: Ich glaube, dass viele das auf jeden Fall probieren werden. Und wenn sie dann merken: Oh, das schmeckt ja eigentlich ganz gut – vielleicht dann auch dabei bleiben. Es wird aber auf alle Fälle auf den Preis ankommen. Letztendlich gucken wir doch alle auf den Preis und wenn es irgendwann mal soweit sein wird, dass kultiviertes Fleisch genauso viel kostet oder vielleicht sogar weniger kostet, als konventionell hergestelltes Fleisch, dann wird es auf jeden Fall einen Absatzmarkt finden.

Leoni: 370 Millionen Tonnen Fleisch wurden 2023 global produziert. Seit Beginn der Messungen ist dieser Wert das Maximum. In diesem Jahr erwartet die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen sogar noch einen Anstieg. In Deutschland sinkt der Fleischkonsum hingegen. Im Jahr 2023 aß ein Deutscher durchschnittlich rund 52 Kilo Fleisch im Jahr. Die konventionelle Tierhaltung wird durch das kultivierte Fleisch nicht wegfallen. Noch ist es technologisch nicht möglich, solche großen Mengen an Fleisch herzustellen. Eine Veränderung könnte es laut Prof. Weinrich durch das neue Produkt aber dennoch geben:

Weinrich : Wir brauchen diese Technologie und ich wünsche mir da wirklich eine offene Diskussion, auch dieser Technologie gegenüber, weil das ein Schlüssel sein kann, um die vielfältigen negativen Umweltauswirkungen, die die intensive Nutztierhaltung mit sich bringt, reduzieren zu können. Und ich finde, es ist auch eine schöne Wertschätzung den tierischen Produkten und auch der Arbeit der Landwirte gegenüber, weil wir dann weniger Tiere halten müssen und die Tiere dann auch besser halten können. Und das ist ja schon etwas, was wir uns auch insbesondere in Deutschland wünschen als Gesellschaft, in der Mehrheit.

Leoni: Wissenschaftler und Unternehmen arbeiten auf Hochtouren, damit das kultivierte Fleisch bald schon industriell produziert werden kann. Eine große Hürde ist bei der Herstellung momentan auch noch die Verwendung eines sogenannten Kälberserums als Nährlösung für die Zellen. Dafür wird einem lebenden, noch ungeborenen Kalb im Leib der Mutter Blut entnommen. Der Fötus stirbt dabei und die schwangere Kuh endet im Anschluss meist beim Schlachter. Nach Alternativen suchen die Forschenden fleißig – ganz ohne Tiersterben funktioniert das Projekt im Moment somit noch nicht.

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