Im Interview: Turnweltmeister am Barren - Lukas Dauser

Der neue Turn-Weltmeister am Barren heißt Lukas Dauser. Im vergangenen Oktober holte sich der 30-Jährige die WM-Goldmedaille und wurde auch noch zum Sportler des Jahres gekürt. Parallel zu seiner Profikarriere studiert Lukas Dauser auch an der Hochschule Ansbach - nämlich den Studiengang BIM - Bachelor für internationales Management. Im Interview mit unserem Redakteur Maxi spricht der gebürtige Oberbayer über den größten Triumph seiner bisherigen Karriere, über seine persönlichen Eigenarten und über seine Ziele bei Olympia 2024 in Paris.

Maximilian Steiger:
Geboren im oberbayerischen Glonn und über einige Stationen wie Stuttgart, Berlin und Halle verbindet unser heutiger Gast vor allem mit der belgischen Stadt Antwerpen einen ganz besonderen Moment: Die Rede ist vom Turnweltmeister Lukas Dauser – Hallo!

Lukas Dauser:
Ja, hallo von meiner Seite. Ich freue mich, dass ihr mich eingeladen habt - und bin gespannt auf unser Gespräch.

Maximilian Steiger:
Gehen wir zurück zum 8.Oktober 2023: Turn-Weltmeisterschaften in Antwerpen. Mit einem doppelten Salto und einer halben Schraube gehst du vom Barren ab und reckst deine Arme in die Höhe. Wenige Minuten später durftest du dir dann die Goldmedaille umhängen. Wie hat sich dieser Moment angefühlt?

Lukas Dauser:
Also es war erstmal ein unglaublicher Moment, nach der Übung den Abgang genau in den Stand zu zimmern. Das ist ja so das Letzte, was die Kampfrichter noch sehen. Die Übung davor war schon nahezu perfekt und dann den Abgang noch so hingestellt. Also da war ich erstmal so happy und froh über meine Übung. Nach mir kam ja noch einer. Also ich war der siebte Starter und musste quasi noch den achten abwarten. Aber der hat es nicht geschafft, an mir vorbeizugehen und nachdem ich dann gesehen habe, als bei mir die Eins aufgeblinkt hat und ich Weltmeister geworden bin in dem Moment, das war unglaublich. Ich glaube, ich kann es auch gar nicht so richtig in Worten beschreiben. Das ist irgendwie so komplette Leere, aber auch pure Freude einfach. Und bei der Siegerehrung selbst, da gehen einem dann irgendwie so ganz, ganz viele Gedanken durch den Kopf. Da schießen irgendwie Bilder rein: wie man vielleicht den einen oder anderen Rückschlag erlebt hat, seien es Verletzungen, das ein oder andere Element, auch an dem man jahrelang gearbeitet hat und das jetzt irgendwie dann so hinbekommen hat. Also es ist wirklich eine Achterbahn der Gefühle in dem Moment. Absoluter Wahnsinn.

Maximilian Steiger:
Es ist das erste deutsche WM-Gold im Turnen seit Fabian Hambüchen. Hat sich in deinem Leben seit diesem großen Triumph etwas geändert?

Lukas Dauser:
Ja, auf jeden Fall. Also die Wahrnehmung ist schon eine ganz andere, muss ich sagen. Ich war ja Vize-Olympiasieger 2021, Vize-Weltmeister 2022 und jetzt im letzten Jahr 2023 dann Weltmeister geworden. Und die Wahrnehmung ist doch gerade in der Öffentlichkeit noch mal eine andere. Und ich glaube, es haben relativ viele Menschen auch dieses Mal mitbekommen, weil sonst das Sportjahr jetzt nicht so erfolgreich war, was jetzt die Einzelsportarten anging. Leute erkennen mich mittlerweile auf der Straße oder beim Einkauf. Also man wird öfter erkannt, weil man natürlich auch jetzt einfach mehr in den Medien war und dann um ein Foto oder ein Autogramm gebeten wird, aber das mache ich gerne.

Maximilian Steiger:
Ich hab von einem besonderen Moment in einem Flugzeug gehört…

Lukas Dauser:
Also ich wurde unter anderem vom Piloten im Flieger begrüßt, als ich mal nach Berlin geflogen bin. Ich bin da zu klein gegen groß geflogen, hatte da einen Fernsehauftritt. Ich bin in das Flugzeug rein und dann habe ich nur Hallo gesagt zu der Crew, die dort stand und wollte eigentlich auf meinen Platz gehen. Und dann sagt einer, Herr Dauser? Und ich so, ja. Und dann sagt er so, 'herzlichen Glückwunsch'. Das war halt glaube ich so eine Woche nach der WM. Und ich so, 'ja, vielen Dank.' Und ja, ich habe mich dann hingesetzt auf meinen Platz und dachte jetzt, das war es eigentlich. Und dann macht der Käpt'n halt seine Durchsage und sagt er noch mal 'und ich freue mich, dass auch Lukas Dauser mit an Bord ist, der Weltmeister am Baren von letzter Woche. Noch mal herzlichen Glückwunsch' und der ganze Flieger hat applaudiert. Also das war echt eine ganz lustige Geschichte. Aber ich glaube, dass die Leute gar nicht wussten, wer ich bin, weil mich natürlich nicht jeder erkennt vom Sehen. Aber es hat sich erst mal ganz gut angefühlt auf jeden Fall.

Maximilian Steiger:
So eine Barren-Übung erfordert neben einer Menge Disziplin auch volle Konzentration und Perfektion. An was denkt man während einer solchen Übung auf dem Barren?

Lukas Dauser:
Ja, es ist irgendwann ein gewisser Automatismus, der dann abläuft. Aber so während der Übung versuche ich einfach vollkommen bei mir zu bleiben. Ich habe zehn Elemente in unserer Kür und ich habe für jedes Element so ein, zwei Schlüsselwörter, die ich mir dann vorspreche, um mich mental auch auf diesen einen Moment vorzubereiten. Und das ist ja im Turnen das Spannende. Man hat eben nur diesen einen Versuch. Ich vergleiche das immer gerne mit Fußballern. Die können in der 10. Minute in elf Meter verschießen und in der 90. das entscheidende Tor machen und sind die Helden. Und wenn bei uns halt ein Element nicht klappt, dann stehst du unten. Du kannst nicht noch mal von vorne anfangen und deswegen ist es extrem wichtig, dass alles auf den Punkt funktioniert.

Maximilian Steiger:
Wie kann ich mir dieses „Selbstgespräch“ vorstellen?

Lukas Dauser:
Ja, also ich kann es ja einmal vormachen. Also ich gehe an den Barren ran, dann leuchtet das grüne Symbol auf, dann hebe ich die Hand und dann sage ich mir, 'ok, Lukas, Beast Mode, jetzt noch mal Gas geben'. Und dann gehe ich hin und ja, dann beginnt meine Übung und dann sage ich mir, 'Fersen aufschwingen, Abstand, lange Arme, Bambulow links, Bambulow links, Bambule nach oben, ruhig, fest. Eins, zwei, aktiv gegendrin bleiben, fest. Fersen, andrehen, wegschieben, fest, fest, komm Junge, stell hin'. Und dann stehe ich hoffentlich den Abgang genau.

Maximilian Steiger:
Lukas, jetzt haben wir ja schon viel über deine sportlichen Erfolge erfahren… Damit auch wirklich gar nichts schieflaufen kann, hast du ja so einige Rituale – manche würden es auch Marotten nennen. Was zählt da an einem Wettkampftag so alles dazu?

Lukas Dauser:
Boah, das sind relativ viele. Aber ich sage mir jetzt so, am Wettkampftag ist das erste, wenn ich aufstehe, dann stehe ich mit beiden Beinen gleichzeitig auf, damit ich nicht mit dem falschen aufstehe. Also ich setze mich dann wirklich so auf die Bettkante und ja, richte meine Füße auf und stehe dann mit beiden Beinen gleichzeitig auf. Ich trinke immer meinen Kaffee, das ist so ein Ritual, auch seit so eineinhalb Stunden vor dem Wettkampf trinke ich immer einen Kaffee eigentlich. Ich habe immer so einen Booster dabei, der mir noch mal so extra Energie gibt. Meine Wettkampftasche ist immer, ja, exakt aufgeräumt, sage ich mal. Damit ich einfach in der Hektik oder im Stress, wenn es mal im Wettkampf stressig wird, dass ich dann schnell meine Sachen auch finde. Und ich habe immer Badelatschen im Wettkampf quasi, mit denen ich durch die Wettkampfhalle laufe. Jetzt nicht am Gerät, aber vor dem Gerät ziehe ich die natürlich aus und die müssen immer parallel stehen, am besten zum Gerät gerichtet.

Maximilian Steiger:
Außerdem trägst du bei Wettkämpfen eine Glücksunterhose. Was macht denn deine Glücksunterhose so perfekt?

Lukas Dauser:
Also ja, ich habe eine Unterhose noch, meine Glücksunterhose, die ich immer im Wettkampf anhabe. Ich weiß gar nicht mehr, ob es ein Weihnachtsgeschenk war, 2020 oder so. Und da habe ich die bei den Olympischen Spielen eben angehabt, diese Unterhose, und die hat mir da Glück gebracht. Und dann dachte ich mir, okay, gut, die ziehe ich ab jetzt eigentlich immer an. Und das hat die letzten Jahre gut funktioniert. Deswegen ist es so mein Ritual auch, dass ich da jetzt immer die gleiche Unterhose zum Wettkämpfen auch anhabe. Natürlich wird die zwischendurch auch gewaschen, also keine Angst. Für mich muss die sogar gewaschen sein, damit ich wieder frische Energie habe.

Maximilian Steiger:
Jetzt aber mal weg von deinen Ritualen, hin zu einem weiteren Glücksmoment 2023. Die Hochzeit mit deiner Ehefrau Victoria! An der Stelle erst einmal auch hier herzlichen Glückwunsch! Welche Rolle spielt sie für deinen sportlichen Alltag und deine Karriere?

Lukas Dauser:
Eine extrem wichtige Rolle für mich, weil sie mich einfach extrem unterstützt. Sie kommt selber aus dem Leistungssport, deswegen kann sie ganz gut meine Situation verstehen, glaube ich. Sei es, wenn wir jetzt natürlich viel unterwegs sind, Trainings, Lager, Wettkämpfe. Also ich bin mehr unterwegs als zu Hause, sage ich mal. Und das sind natürlich Sachen, wo sie einfach Verständnis für hat, gerade was das Thema Ernährung natürlich angeht. Wir können jetzt nicht jeden Morgen unser Nutella-Brot schmieren. Also da ist sie, sage ich mal, für mich eine extrem große Stütze. Aber natürlich auch einfach mental zu wissen, egal was passiert, die Person liebt mich danach und steht zu mir. Und das ist, glaube ich, auch was, was einen beruhigt in diese Schlachten, nenne ich es jetzt mal, in diese Wettkämpfe ziehen lässt.

Maximilian Steiger:
2023 war für dich ja auch nicht so perfekt für dich, wie es auf den ersten Blick scheint. Bis wenige Wochen vor Antwerpen war ja auch noch gar nicht sicher, ob du überhaupt schmerzfrei turnen kannst.

Lukas Dauser:
Sechs, sieben Wochen davor konnte ich noch nicht 100% trainieren, habe noch nicht meine volle Barrenübung turnen können zum Beispiel. Habe an den Ringen noch nicht wirklich turnen können, weil ich noch eine Schulterverletzung aus dem Jahr 2022 mitgenommen habe. Da habe ich mir einen Muskelbündelriss in der Schulter gerissen und es war dann auf den letzten Drücker. Aber der Plan ist perfekt aufgegangen von meinem Trainer und mir. Und dass es natürlich dann mit einer Goldmedaille und dem WM-Titel endet, ist eine unglaubliche Geschichte.

Maximilian Steiger:
Sportlich lief es aber vor allem ab dann wirklich exzellent. Im Dezember wurdest du auch noch zu Deutschlands Sportler des Jahres gekürt. Damit reihst du dich in eine Liste mit Namen wie Leon Draisaitl, Sebastian Vettel, Michael Schuhmacher und Dirk Nowitzki ein. Wie stolz macht einen das?

Lukas Dauser:
Also das ist eine unglaubliche Ehre für mich - immer noch. Das ist absoluter Wahnsinn, Sportler des Jahres zu werden. Du hast es gerade angesprochen, wer da alles auf dieser Liste steht. Da kriege ich Gänsehaut, also das ist wirklich brutal. Ich habe mich riesig gefreut, es war super emotional für mich dort vor Ort. Ich habe bis zum letzten Moment nicht gewusst, dass ich es werde. Ich wusste so, okay, Top 3 ist schon drin, aber ja, dass die Journalisten mich dann am Ende auch gewählt haben gegen wirklich starke Konkurrenz. Florian Wellbrock und Oliver Zeidler, die sind auch in dem Jahr aus dem Rudern und aus dem Schwimmen Weltmeister geworden, ich im Turnen Weltmeister. Da weiß man nie genau, wie die Journalisten auch abstimmen. Aber deswegen, als ich es dann geworden bin, war die Freude natürlich umso größer.

Maximilian Steiger:
Nur noch wenige Monate bis zum dem großen Event des Jahres: Wir sprechen natürlich von Olympia. Was sind deine Ziele für Paris?

Lukas Dauser:
Also mein großes Ziel ist, dass ich meine perfekte, meine beste Barrenübung am 5. August in Paris turne. Das ist das Barrenfinale bei den Olympischen Spielen. Da ist für mich das Ziel, meine beste Leistung abzurufen. Mehr habe ich nicht in der Hand und wenn ich das hinkriege, dann weiß ich, dass immer was möglich ist nach vorne.

Maximilian Steiger:
Dann drücken wir ganz fest die Daumen, dass deine Ziele in Erfüllung gehen. Ich sag „Danke“ für dieses sehr interessante Gespräch und  wünsche dir – genau wie auch ganz Deutschland – viel Erfolg bei den Olympischen Spielen in Paris und auch sonst alles Gute auf deinem Weg – privat, wie auch sportlich.

Lukas Dauser:
Ja, vielen Dank fürs nette Gespräch und euch alles Gute, Servus, Ciao, Ciao!

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