Jetzt, damals und für immer – Das große Beatles-Finale

Foto: Lukas Harth

“Die Beatles veröffentlichen neuen Song” – wer hätte im Jahr 2023 mit dieser Nachricht gerechnet? Aber tatsächlich spülte der Algorithmus der Streamingdienste Anfang Oktober eine neue Nummer der Kultband in die Playlists: “Now and Then”. Wie kann das sein? Was dahinter steckt und welche Rolle eine KI bei der Fertigstellung übernahm, erfahrt ihr von unserem Autor Lukas im Beitrag.

„Habt ihr schon den neuen Beatles-Song gehört?“ Nie im Leben hätte ich gedacht, dass dieser Satz einmal über meine Lippen kommen wird. Und doch: wir erleben es tatsächlich ein letztes Mal im Jahr 2023. Die “Fab Four” brachten Anfang Oktober eine brandneue Single raus und sie heißt „Now and Then“.

Ein Jahr vor seiner Ermordung 1980 nahm John Lennon eine Demo-Kassette in seiner Wohnung auf. Darauf singt er mit seiner unverkennbaren Stimme und begleitet sich selbst auf dem Klavier. Erst Jahre später, 1994, sollten seine ehemaligen Bandkollegen in den Besitz des Tapes gelangen, erzählen George und Paul im Kurzfilm zur Entstehungsgeschichte.

George: „I was talking to Yoko. And she said, ,ah, I think I got a tape of John.’

Paul: “We were pretty excited. A new John-song. Amazing!”

George: “To hear John’s voice… That’s a thing that we should cherish. And I’m sure he would’ve really enjoyed that opportunity to be with us again.”

https://www.youtube.com/watch?v=APJAQoSCwuA

Ein vergessener, letzter Song von John Lennon? Und alle verbliebenen Beatles sind versammelt, um ihn fertigzustellen? Das klingt zu schön, um wahr zu sein. Und ja, das war es auch: Mitte der Neunziger trafen sich Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr in McCartneys Studio, um „Now and Then“ aufzunehmen. Dabei stießen sie schnell auf ein gravierendes Problem, erinnern sich Ringo und Paul:

Ringo: „When we started ,Now and Then’ it was very difficult, because John was sort of hidden in a way.”

Paul: “On John’s demo tape, the piano was a little hard to hear. And in those days, of course, we didn’t have the technology to do the separation.”

https://www.youtube.com/watch?v=APJAQoSCwuA

Abgesehen vom Brummen und Rauschen der Kassette, konnten sie Johns Stimme damals einfach nicht vom Klavier der Aufnahme trennen. Für das Abmischen des Songs war die Trennung aber unverzichtbar.. „Now and Then“ landete also erstmal wieder im Schrank.

Knapp 30 Jahre später arbeitete der Regisseur Peter Jackson an einem Doku-Film zum „Let it Be“-Album der Beatles. Um die Tonaufnahmen zu verbessern, nutzte er eine KI, die alle Spuren einzeln aus den Tonbändern herausfiltern kann. Das brachte Paul McCartney auf eine Idee.

Paul: „We thought, well, we better send John’s voice to them, off the original cassette. They said,  ,this is the sound of John’s voice.’ A few seconds later or however long it took, and there it was: John’s voice. Crystal clear.”

https://www.youtube.com/watch?v=APJAQoSCwuA

Mit dem verbesserten Demo-Tape konnten die Beatles den Song fertigstellen. Der 2001 verstorbene Gitarrist George Harrison spielte bei der Session in den Neunzigern bereits seine E-Gitarre für den Song ein. Schlagzeug, Bass, Klavier und Gesang vervollständigten Ringo und Paul 2022. Der letzte Song, auf dem alle Beatles zu hören sind.

Und, wie ist er geworden? Tja. Im Gegensatz zu vielen anderen Bands mussten die Beatles sich nie mit ihren Meisterwerken messen. Natürlich sind gerade deswegen die Erwartungen hoch – aber nein, „Now and Then“ klingt nicht wie frühere Beatles-Songs. Dafür ist die Produktion zu glatt. Sie klingt oft gar digital. Allle Instrumente sind stark komprimiert. Vor allem dem Klavier fehlt die Dynamik, alle Anschläge sind gleich laut und statisch. Das klingt kaum noch nach akustischem Instrument. Die Aufnahme ist eine Spur zu perfekt im Vergleich zu den fünfzig bis sechzig Jahre älteren Vorgängern. Aber ein analoges Retro-Revival zu erwarten, wäre auch nicht im Sinne der Beatles. Denn die wollten sich immer weiterentwickeln und ragten deswegen aus der Masse der Rock’n’Roll-Bands der 60er hervor. Ein zeitgenössischer Pop-Song ist „Now and Then“ deswegen aber auch nicht. Er ist im wahrsten Sinne aus der Zeit gefallen. Er spielt in der Gegenwart sowie in der Vergangenheit. Und so betitelte John Lennon seinen Song schon damals prophezeiend: „Now and Then“.

“Die Beatles veröffentlichen neuen Song” – wer hätte im Jahr 2023 mit dieser Nachricht gerechnet? Aber tatsächlich spülte der Algorithmus der Streamingdienste Anfang Oktober eine neue Nummer der Kultband in die Playlists: “Now and Then”. Wie kann das sein? Was dahinter steckt und welche Rolle eine KI bei der Fertigstellung übernahm, erfahrt ihr von unserem Autor Lukas im Beitrag.

Unser Musik-Mix

magnifiercrossmenuchevron-down