Lillys Leben in ihrer zweiten Familie

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2016 war eines der Jahre der großen Flüchtlingswellen. Laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zog es in diesem Jahr rund 745.000 Flüchtlinge nach Deutschland, darunter 36.000 Kinder. Eines dieser Kinder war die heute Achtjährige Lilly. Wie es ihr heute geht und warum sie gleich zwei Mamas hat, zeigt sie Reporterin Johanna bei einem Besuch in ihrem Zuhause.

Atmo: Kindergeschrei und Pausenhofgetümmel

Sylvia: Lilly! 

Johanna: Hallo.

Lilly: Hallo.                                                                                      

Sylvia: Na, wie isses?

Lilly: Gut!

ST: Elf Uhr zwanzig – Schulschluss. Stürmisch rennt Lilly in die ausgestreckten Arme ihrer Mutter Sylvia. Ihre langen schwarzen Haare wehen wie eine Fahne hinter ihr her. Die Achtjährige geht aktuell in die zweite Klasse einer Grundschule in Oberbayern.

Atmo: Roller auf Asphalt, Lilly erzählt

Lilly: Und gestern ham wir eine Reli-Probe geschrieben. Wie hießen die Eltern von Josef, ähm, ähm Lea und ähm…

ST 2: Mit festem Griff hält Lilly die Hand ihrer Mutter, die andere umklammert den Lenker ihres pinken Rollers. Auf den ersten Blick wirken die beiden wie jedes andere Mutter-Tochter-Gespann. Doch bei ihnen ist das ein bisschen anders, denn Sylvia ist Lillys Pflegemutter. Lillys leibliche Mutter flüchtete gemeinsam mit Lillys älteren Brüdern vor sieben Jahren aus Syrien nach Deutschland. Dann erkrankte sie plötzlich schwer und liegt seitdem im Krankenhaus im Wachkoma.

Atmo: nach Hause kommen, Jacken ausziehen,

ST: Zuhause angekommen (bitte Verortung immer sofort klar machen, es sei denn, eine sehr prägnante und eindeutige Atmo macht dies überflüssig. Diese ist hier aber nicht der Fall.

Atmo: Türe wird geschlossen

Sylvia: War die ganze Nacht drin der Schnapper.

Lilly: Ich hab ihn nicht rein gemacht.

Atmo: Auflauf wird in Ofen geschoben, Federmäppchen wird geöffnet, Papier raschelt

ST 3: Jetzt wird der vorbereitete Gemüseauflauf in den Ofen geschoben. Lilly beschäftigt sich im an die Küche angrenzenden Wohnzimmer derweil mit ihren Hausaufgaben. Währenddessen nippt Sylvia an einem Glas Wasser und beobachtet ihre Pflegetochter. Lilly zu sich in die Familie zu holen, war der vierfachen Mutter schnell klar.

Sylvia: Also das war so das sie bei einer Freundin von mir war. Die macht so Bereitschaftspflege und da sind die Kinder eigentlich nur bis zu zwölf Wochen. Und meine Freundin hat mir halt immer erzählt von der Lilly und bei uns isses so das wir eben an starken Glauben haben und irgendwann wars dann so das wenn Gott gesagt hätte ihr seid diese Pflegefamilie, nehmt ihr sie zu euch und genau. 

ST: Es wird in der Familie offen über Lillys Herkunft geredet, ihre Wurzeln kennt die Achtjährige genau. Wenn Sie es so ankündigen, erwartet man einen kurzen O-Ton von Lilly.

Atmo: Füße rennen Treppe hinauf, Tür schlägt zu

ST: Während Sylvia in der Küche hantiert, verschwindet Lilly in ihr Zimmer. Noch teilt sie es sich mit ihrer älteren Schwester, darf sich aber schon bald über ein eigenes Reich freuen.  

Atmo: Spielzeug wird auf Boden herumgeschoben

Lilly: Ja, also wir hams n bisschen umgebaut weil des Bett stand da und die Schreibtische standen da. Also da stand meiner, Hannah´s stand gegenüber von meinem. Hannah geht ins Zimmer von Daniel weil der dann in eine WG geht nach Innsbruck, ja.

Johanna: Freust du dich schon?

Lilly: Ja! Ich krieg auch vielleicht ein paar neue Möbel.

Atmo: Lilly erzählt

ST: Neue Möbel und ein eigenes Zimmer – all das sind Dinge, die Lilly in ihrer alten Heimat Syrien nicht gehabt hätte. Besuchen möchte die Achtjährige das Land eines Tages auf jeden Fall – wenn alles wieder aufgebaut ist – erzählt sie. Der Besuch ihrer leiblichen Mama im Krankenhaus macht ihr jedoch Angst.

Lilly: Also meine Mama hab ich jetzt eigentlich, ähm, in der Zeit wo ich hier war eigentlich noch gar nicht besucht und irgendwie will ich das auch gar nicht, weil ich eigentlich richtig Angst hab. Weil wenn man so hört wie schlecht es ihr geht dann mag man, mag ich eigentlich auch gar nicht mehr dahin. Und hier kann ich mich halt auch besser ablenken weil ich bei ner anderen Familie bin.

Johanna: Fühlst du dich hier wohl Zuhause? 

Lilly: Ja, sehr!

Johanna: Und das ist deine Mama für dich?

 Lilly: Ja.

Atmo: Messer schneidet auf Holzbrett

Lilly: Ja Mama, ich, wir waren ja mal im Urlaub, ge, also des…

Sylvia: Ja.

Lilly: Also des war, des war bei den Zelten. 

Atmo: Lilly erzählt

ST: Dass Sylvia für Lilly wie ihre echte Mama ist, fällt vor allem beim Mittagessen auf. Die beiden wirken vertraut, Lillys Hand sucht immer wieder die ihrer Pflegemutter, die andere stochert im Gemüse auf dem Teller herum. 

Atmo: klappern, Klavier wird „aufgemacht“

Lilly: Upsi..

Atmo: Papier raschelt (Lilly blättert durch Notenbuch)

ST: Nach dem Essen möchte Lilly noch etwas auf dem Klavier vorspielen. Seit einem Jahr besucht sie jetzt den Musikunterricht und das Spielen macht ihr großen Spaß.

Atmo: rascheln, Klavier beginnt zu spielen

ST: Wie lange Lilly in ihrer Pflegefamilie bleiben darf, ist abzuwarten. Dazu gehören wird sie immer. Wenn sie groß ist, möchte sie einmal Modedesignerin werden – oder Hundetrainerin – da ist sie sich noch nicht ganz sicher. Was aber zu hoffen ist: dass Lilly ihren Weg gehen wird, aber es stehen ja auch zwei Familien hinter ihr.

Atmo: Klavier spielt, wird leiser

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